Eidwahrerinnen – Travias Strenge & Rondras Wacht
Die Gründe für die engen familiären Bande liegt auch in der Rolle begründet, die zwei Göttinnen im Weidener Leben spielen.
Da ist zum einen Travia. Anderswo als mildtätige oder sanfte Hüterin der Familie verehrt, wird sie in Weiden meist Eidmutter oder Eidschenkerin genannt. Denn Eide, die vor Travia und mit ihrem Segen abgelegt werden, gelten hier weit mehr als ein Eid von Praios’ Gnaden und genauso viel wie einer mit dem Segen der Alveransleuin.
Rondra ist der andere Grund für die tiefe Ernsthaftigkeit in dieser Frage. Der Schutz von Schwachen und Hilflosen und mithin die Verantwortung für solche, ist ein zentraler Grundsatz des Rondraglaubens. Mehr noch: Allein für den Schutz von (Kampf-) Gefährten ist es gestattet, den strengen Ehrenkodex Rondras (notfalls) zu übertreten. Die unmittelbare Gemeinschaft ist der Göttin Sturmesgleich also mindestens ebenso wichtig, wie der Schutz von Wehrlosen.
Darum werden Ehen in Weiden beinahe ausschließlich mit dem Segen Travias oder dem Rondras geschlossen. Und welche Kirche auch immer die Zeremonialführung innehat, ein Vertreter der anderen wird beinahe sicher anwesend sein, um den Bund zumindest zu segnen.
Bisweilen werden die göttlichen Schwestern darum auch als Eidwahrerinnen oder Grimme Schwestern bezeichnet und gemeinsam angerufen. Denn Travia wird in Weiden zwar durchaus als mildtätig und heimelig verehrt, vor allem aber gilt sie als strenge Hüterin über das Wohl der Familie, deren Schutz in einer so gefährlichen Region wie Weiden höchste Bedeutung hat.
Im Namen beider Göttinnen geschlossene Treuegelöbnisse, wie insbesondere eine Hochzeit, sind darum auch unaufkündbar. Werden sie dennoch gebrochen, kommt dies einem Frevel gleich. Folgerichtig sind Ehebruch, Angriff auf oder gar Mord an einem nahen Verwandten todeswürdige und als besonders abscheulich empfundene Verbrechen.
Die im Süden des Reiches opportune „Reichsrichterliche Scheidung“ ist im Herzogtum zwar durchaus bekannt, wird aber rundheraus abgelehnt. Denn welcher Mensch kann sich anmaßen, ein vor Travia und Rondra geschlossenes und von ihnen gesegnetes Band zu zerschneiden? Niemand, so lautet der Konsens über alle Stände hinweg. Und wer diesbezüglich eine andere Meinung hat, wird sich hüten, diese laut zu äußern. Ein solches Band ist in den Augen der unantastbar.