Die Familie nimmt in Weiden über Standesgrenzen hinweg eine hervorgehobene Stellung ein. Familien sind das Herzstück der Gesellschaft im Herzogtum und entsprechend groß ist der Aufwand, den die Weidener mit allem betreiben, was die Familie unmittelbar betrifft.Hochzeiten ragen als das oftmals bedeutendste Ereignis im Leben eines Menschen aus diesem Reigen heraus. Daher werden sie meist sorgsam vorbereitet, prächtig und dabei so würdevoll wie möglich begangen. Bisweilen sind Hochzeiten gar Ereignisse, die sich über mehr als einen Tag hinziehen.

Schon mit zarten Alter von zwölf Jahren können Kinder in Weiden verheiratet werden, und zwar auch gegen ihren Willen. Erst mit 20 Lenzen darf ein junger Mensch hingegen die Ehe ohne die Zustimmung von Vater und Mutter eingehen. In Weiden steht der Rondrabund gleichberechtigt neben dem Traviabund, denn beide Göttinnen gelten als Hüterinnen, denen das Wohl der Familie am Herzen liegt. Wie andernorts auch gilt Travias Huld der Familie als Ganzem, wie auch dem Heim. Rondras hervorgehobene Rolle leitet sich aus ihrer Dominanz in Weiden vor allem aber aus der zentralen Rolle ab, die der Schutz von Schwachen und Hilflosen im Rondraglauben einnimmt.

Gemeine entscheiden sich bei einer Hochzeit meist für einen Traviageweihten als Zeremonialführer. Adlige hingegen wählen beinahe ausnahmslos eine rondrianische Zeremonie. Welche der beiden Kirchen die Hochzeit auch immer ausrichtet, meist ist zumindest ein Geweihter der anderen Kirche anwesend, um dem Brautpaar seinen Segen zu spenden. Eine Ehe unter der Segenshuld des Götterfürsten Praios zu schließen, wie es im Adel anderer Provinzen üblich ist, ist eher ungewöhnlich und daher selten, da Rondra im Herzogtum quasi an die Stelle des Götterfürsten getreten ist.

Treue gilt den Weidenern als höchstes Gut und so ist Ehebruch ein todeswürdiges Verbrechen. Scheidungen, wie sie in den zentralen und südlichen Regionen des Reiches durchaus üblich sind, kennt man in Weiden zwar, doch sie werden hier nicht anerkannt, von den meisten sogar inbrünstig abgelehnt. Die Ehe ist – so glaubt man in Weiden – ein vor den Göttern geschlossener Bund für die Ewigkeit, den ein Mensch nicht zerschneiden kann. Nur der Tod eines der Gatten kann eine Ehe einseitig und vorzeitig beenden.

Nachfolgend werfen wir einen genaueren Blick auf Weidener Hochzeitsbräuche.


Eidwahrerinnen – Travias Strenge & Rondras Wacht

Die Gründe für die engen familiären Bande liegt auch in der Rolle begründet, die zwei Göttinnen im Weidener Leben spielen.
Da ist zum einen Travia. Anderswo als mildtätige oder sanfte Hüterin der Familie verehrt, wird sie in Weiden meist Eidmutter oder Eidschenkerin genannt. Denn Eide, die vor Travia und mit ihrem Segen abgelegt werden, gelten hier weit mehr als ein Eid von Praios’ Gnaden und genauso viel wie einer mit dem Segen der Alveransleuin.

Rondra ist der andere Grund für die tiefe Ernsthaftigkeit in dieser Frage. Der Schutz von Schwachen und Hilflosen und mithin die Verantwortung für solche, ist ein zentraler Grundsatz des Rondraglaubens. Mehr noch: Allein für den Schutz von (Kampf-) Gefährten ist es gestattet, den strengen Ehrenkodex Rondras (notfalls) zu übertreten. Die unmittelbare Gemeinschaft ist der Göttin Sturmesgleich also mindestens ebenso wichtig, wie der Schutz von Wehrlosen.
Darum werden Ehen in Weiden beinahe ausschließlich mit dem Segen Travias oder dem Rondras geschlossen. Und welche Kirche auch immer die Zeremonialführung innehat, ein Vertreter der anderen wird beinahe sicher anwesend sein, um den Bund zumindest zu segnen.
Bisweilen werden die göttlichen Schwestern darum auch als Eidwahrerinnen oder Grimme Schwestern bezeichnet und gemeinsam angerufen. Denn Travia wird in Weiden zwar durchaus als mildtätig und heimelig verehrt, vor allem aber gilt sie als strenge Hüterin über das Wohl der Familie, deren Schutz in einer so gefährlichen Region wie Weiden höchste Bedeutung hat.

Im Namen beider Göttinnen geschlossene Treuegelöbnisse, wie insbesondere eine Hochzeit, sind darum auch unaufkündbar. Werden sie dennoch gebrochen, kommt dies einem Frevel gleich. Folgerichtig sind Ehebruch, Angriff auf oder gar Mord an einem nahen Verwandten todeswürdige und als besonders abscheulich empfundene Verbrechen.
Die im Süden des Reiches opportune „Reichsrichterliche Scheidung“ ist im Herzogtum zwar durchaus bekannt, wird aber rundheraus abgelehnt. Denn welcher Mensch kann sich anmaßen, ein vor Travia und Rondra geschlossenes und von ihnen gesegnetes Band zu zerschneiden? Niemand, so lautet der Konsens über alle Stände hinweg. Und wer diesbezüglich eine andere Meinung hat, wird sich hüten, diese laut zu äußern. Ein solches Band ist in den Augen der unantastbar.


Der lange Weg zur Hochzeit – Die Verlobungszeit

Wie schon erwähnt, ist die Familie im Herzogtum heilig und folgerichtig zählt die Vermählung zu den heiligsten Handlungen im Leben eines Weideners. Die Zeremonie, und beinahe noch mehr die Vorbereitung derselben, ist darum von höchster Wichtigkeit. Mancher Spötter behauptet angesichts der teilweise Jahre währenden Zeit vor der Verlobung wäre diese sogar noch wichtiger, als die eigentliche Hochzeit. Da ist durchaus etwas Wahres dran, denn in genau hier werden der Grundstein für die Ehe gelegt und die Weichen für das gemeinsame Leben zweier, sich nicht selten gänzlich fremder Menschen gestellt.
Die Verlobung zu vereinbaren ist eine wichtige Angelegenheit, und es gilt als Ehre, eine solche verkünden zu dürfen. Meist tut dies ein Elternteil, oder – bei einer von den Brautleuten selbst ausgehenden Liebesheirat – ein naher Freund und späterhin Bundzeuge. Gern werden für solche Bekanntgaben Ereignisse genutzt, die aus dem Alltag herausragen, wie Feier- oder Markttage, aber auch Adelsversammlungen oder eben Hochzeitsfeiern. So gilt in Weiden die Weisheit: „Auf eine Hochzeit folgen gern zweie!“, denn nirgendwo sonst scheinen so häufig weitere Verlobungen beschlossen, verkündet oder ins Auge gefasst zu werden, wie just auf einem Hochzeitsfest.

Unmittelbar nach der Verkündung der Verlobung treffen sich die Eltern der Brauleute, um sämtliche Angelegenheiten von Aussteuer über Zins bis hin zu Familiennamen und schließlich Rahmen der Hochzeitsfeier zu besprechen. In der Regel tun sie dies im Beisein eines Geweihten – meist des späteren Zeremonialführers –, eines Schultheißen oder eines vorgesetzten Adligen. Gründlich bis pedantisch wird dabei alles festgehalten und niedergeschrieben, was den zukünftigen Gesponsen mit auf ihren gemeinsamen Weg gegeben werden soll. Tatsächlich sind in den Ratshäusern von Trallop und Baliho, seit Neuestem aber auch in Salthel und Nordhag, „Hochzeitsschreiber“ beschäftigt. In der Stadt übernehmen sie anstelle des Lehensherren oder Ortsvorstands die wichtige Rolle des Zeugen. Getreulich notieren sie alles, beglaubigen es am Ende und streichen dafür ihren Lohn ein.

Üblicherweise beträgt die Dauer einer Verlobung einige Monate. Es hat aber auch schon solche gegeben, die mehrere Jahre währten, so kompliziert waren die Verhandlungen, ehe die Brautleute guten Gewissens ihren Treueschwur ablegen konnten. Gerade bei bedeutenden Adelshäusern kommt derlei häufig vor, denn bisweilen gilt es, ausgedehnte Besitztümer zu verwalten, Rechte zu verbriefen und Interessen gegeneinander abzuwägen. Allein die Frage, welchen Familiennamen die künftigen Ehegatten tragen werden und wie das Ehewappen beschaffen sein soll, hat schon zu Zerwürfnissen geführt, die in jahrhundertelangen Streitigkeiten endeten.
Denn ja, Verlobungen lassen sich lösen. Zwar ist das gegebene Wort auch bei einer Verlobung bindend und sein Bruch kann durchaus eine gesellschaftliche Ächtung nach sich ziehen. Aber letztlich ist noch kein Eid geleistet und bisweilen hat die Verlobungszeit auch gerade den Sinn, herauszufinden, ob manche Verbindung überhaupt realisierbar ist. Freilich ist dies etwas, was beinahe ausschließlich für Adelshochzeiten gilt. Aber es hat auch schon Bürgersleute gegeben, die am Ende zerknirscht verkünden mussten, dass eine Verlobung einvernehmlich – und mit Zustimmung des Geweihten – gelöst wurde.


Mit Travias Huld und Segen – Der Traviabund

„Sag’ bloß, du willst ihr das Bild einer Gans schenken?!“

„Und dann hat er halt den Schild genommen, was sollte er auch tun, eh?“

„Wenn du so weiter machst, wirst du der Erste in unserer Familie sein, der vorm Travianer vor Schmerz und nicht vor Rührung weint!“

„Dolch und Schild,
Gans und Stock,
Eidmutter frohlock’!“
–Weidener Bonmots, die sich auf den traditionellen Traviabund beziehen

Für den Traviabund entscheiden sich in Weiden vornehmlich Gemeine, die dem Waffenhandwerk gar nicht oder nur im Rahmen ihrer Pflichten als Freie nachkommen. Über die Jahrhunderte hat sich hierzulande eine ganz eigene Form der Hochzeitszeremonie etabliert.
Die enge Verbundenheit mit der Heimat hat wohl dazu geführt, dass Hochzeiten im Herzogtum eine ganz eigene Symbolik und auch Farbigkeit haben, denn Brautleute treten nicht im heiligen Traviaorange vor den Geweihten, sondern in grün und weiß, die Farben des Herzogtums. Es ist die Aufgabe der Familie, ja, der ganzen Sippe, für die Hochzeitskleidung der Braut oder des Bräutigams aufzukommen. Tief grün sind Kleid, Wams, Beinlinge wie Umhänge, weiß hingegen Hemden, Tuniken und Strümpfe. Beides ist aus dem besten Stoff, für den das verfügbare Geld eben reicht. Wochenlang arbeiten Mütter, Väter, Tanten, Onkel, Geschwister und so weiter an liebevoll aufgebrachten Stickereien aus weißem, in wohlhabenden Kreisen auch silbernen oder eben grünen Fäden. Ehedem waren tobrische Klöppeleien sehr beliebt, wenngleich sie die finanziellen Möglichkeiten der meisten Weidener weit überstiegen. Pelzverbrämungen, im Herzogtum sonst recht beliebt, sind bei diesem Anlass jedoch unüblich. Allerdings gilt es als glückverheißend, wenn das Brautpaar jeweils eine Wildgansfeder trägt, die möglichst ein selbst gefundenes Geschenk des anderen ist.

Treten die Brautleute dann fein herausgeputzt vor den Priester, tauschen Braut und Bräutigam traditionelle Geschenke aus. So erhält die Braut von ihrem Bräutigam als Zeichen seiner innigen und herzlichen Liebe das kleine Bild einer Wildgans. Manche dieser Bilder werden von Generation zu Generation an den oder die Erstgeborene weitergegeben und sind teilweise überaus kostbar. Andere wiederum sind schlichte Bildnisse, wie man sie nahe der meisten Traviatempel erstehen kann. Der zukünftige Gemahl erhält von seiner Braut nun einen kleinen Schild, gleich dem eines Ritters. Es zeigt ausnahmslos einen festen Turm und soll ihn daran erinnern, dass er gemeinsam mit seinem Weib den Bedrohungen durch „Namenlose, Orks, Goblins und böse Hexenweibern“ trotzen und die gemeinsamen Kinder vor allem Unbill schützen soll. Auch diese Schilde werden meist an den Erstgeborenen weitergegeben und sind bisweilen wertvolle Kleinodien. Nachgeborene Kinder erhalten eigens für ihre Eheschließung gefertigte Geschenke und zudem den Auftrag, mit ihnen eine neue Erblinie zu begründen, denn das Herzogtum braucht auch fürderhin Freie, die seine Grenzen zu verteidigen wissen.
Nachdem die Geschenke ausgetauscht sind, folgt die eigentliche Vermählung. Ihr Ablauf ist schon in einer Schrift aus den Tagen Herzog Thordenins des Schlauen (43-62 BF) genau festgehalten und wird auch heute weitgehend noch so zelebriert. Wieder ist es hierbei die Familie, die die entscheidenden Handlungen vollzieht, derweil der Priester eher ein Zeuge ist, dem allein der abschließende Segen obliegt:

„Die Mütter der Brautleute greifen nun aber zu einem reich geschnitzten Weidenstocke und schlagen den guten Kindern damit leicht über den Rücken. ‚Sehet, geliebte Kinder’, sagen sie dann, ‚der letzte Schlag gemahne euch an unsere Obhut, unter deren Schutz und Ordnung ihr gelebet, doch bedenket, dass ihr unserer nicht entflohen, als nur mehr in eure eigene gegangen seid.’ Dann übergebe der Vater der Braut den schönen Stock an die Brautleute, die alldieweil äußern, dass der Stock fürder nicht mehr nötig sei, sie ihn aber gleichwohl annehmen, um ihn im heiligen Traviafeuer zu verbrennen und um den Segen der Göttin zu erflehen. Nun führt der Vater des Gemahles einen Hirschfänger gegen das Herz der beiden Brautleute und gemahnt sie, einander aufrichtig und traviagefällig zu lieben und allen Feinden eine tapfere Lehre zu erteilen. Daraufhin stechen sich die Eheleute über dem heiligen Herdfeuer in den vierten, den Traviafinger, vergießen ihr Blut der Göttin zum Gefallen, während sie diese anrufen und verkünden, dass sie hoffen, allzeit in Friedfertigkeit und Glück zu leben, dass sie den Dolch aber gleichwohl unter dem Bette aufbewahren werden, um ihn stets griffbereit zu haben.“

Danach bedeckt der Bräutigam das Antlitz seiner künftigen Gemahlin, wie sein eigenes mit seinem Umhang. Allein vor der Eidesmutter und mit dem Traviageweihten als Zeugen, legen sie nun das heilige Gelübde ab, einander nach Travias Gesetzen und achten, zu ehren und zu lieben. Dann spendet der Priester seinen Segen und bittet bei seiner Göttin für das Brautpaar. Die Ehe gilt als geschlossen, wenn der Segen beendet ist und der Umhang sich unter dem oft ohrenbetäubenden Jubel von Gästen und Familie senkt.


Mit Rondras Gunst und Segen – Der Rondrabund

„Ihr wollt also vor Rondra tanzen?“

„Zweie kommen, zweie bitten,
zweie tanzen mit den Klingen
zweie bezeugen und beschenken,
das zweie sich als Einheit binden“

„Ring und Band
Schwert und Tanz
Mit Rondras Segen
endlich ganz!“
–Weidener Bonmots, die sich auf den traditionellen Rondrabund beziehen

Weidener Adlige bevorzugen es, ihre Ehe als Rondrabund zu schließen. Die andernorts bei Verbindungen in hohen Kreisen federführende Praioskirche wird im Herzogtum nur selten um diesen Dienst gebeten, denn eher schließen Adelsleute einen Traviabund, als sich dem Segen des Götterfürsten zu unterstellen. Auch die vielen Waffenpflichtigen, Krieger, Büttel und Gardisten vermählen sich gern mit dem Segen der Alveransleuin. Selbst einige Handwerker, die in den Städten Teil einer Zunftwehr sind, bevorzugen den Rondrabund.
Auch für eine Hochzeit mit Rondras Segen putzen sich die Brautleute prächtig heraus. Die Farben Grün und Weiß sind besonders beliebt, in Adelskreisen – je nach Selbstbewusstsein – ergänzt um die eigenen oder die rondrianischen Wappenfarben. Rüstungen fallen an diesem Tag leichter aus als bei sonstigen Göttinnendiensten, und die Brautleute kommen sogar gänzlich ungerüstet.

Bei einem Rondrabund stehen die Brautleute und der Kampf, der dem rondrianischen Credo nach die Quintessenz des Seins ist, im Mittelpunkt. Familien sind in seinem Rahmen gern gesehene, aber nicht zwingend direkt beteiligte Gäste. Stattdessen wählen die Brautleute jeder einen Menschen als Brautführer oder Trauzeugen – sogenannte Bundzeugen –, der ihnen vor und während der Zeremonie zur Seite steht. Dahinter steht die Überzeugung, dass ein treuer Gefährte einem durch alle Stürme, Kämpfe und Fährnisse des Lebens helfen kann. Darum ist es eine ausgesprochene Ehre, zu einem Bundzeugen erkoren zu werden. Zugleich ist es aber auch eine Bürde, denn es ist die hohe Pflicht beider Zeugen, das Ihre zum Erfolg einer Ehe beizutragen, allem voran mit aufrechtem und gerechtem Rat. Meist fällt die Wahl daher auf nahe Freunde, häufig auch Verwandte. Eher selten kommt es vor, dass Vater oder Mutter diese Rolle übernehmen.

Der Rondrabund folgt ähnlich starren und alten Ritualen, wie der Traviabund. Am Tag der Hochzeit obliegt es den Bundzeugen, die zukünftigen Gatten vor den Rondrageweihten zu führen, diesem die Ehre zu erweisen und ihm oder ihr wohl vernehmlich das Anliegen der Brautleute vorzutragen. Sodann verlangt der Geweihte zu wissen, wer die Brautleute freigibt, woraufhin die Bundzeugen die jeweiligen Eltern benennen und vorstellen. Nun folgen die Prüfungen, die das Rondrarium für Liebende bereithält und die stark ritualisiert sind.
Zunächst wird ihnen vom Fleisch eines eigens zu diesem Behufe erlegten Bocks – meist Hirsch- oder Rehbocks, im Gebirge auch Steinbocks – gereicht. Dies soll einerseits an den rondrianischen Brauch erinnern, vor einem Kampf vom Fleisch eines Bocks zu speisen, wie es einst Sankt Geron vor seinem Sieg über den Wurm von Kababien tat. Denn auch die Ehe ist ein Kampf, der Kampf gegen das eigene Selbst und den Widerstand des Partners. Zum anderen soll es die Brautleute auf den tatsächlich nun folgenden rituellen Kampf vorbereiten. Denn im Rondrarium heißt es:

„So sollen die Liebenden im leuingefälligen Kampfe das Blute des anderen vergießen, um den Wert dieser Bande schätzen zu lernen. Und wenn solches geschehen ist, sollen sie fortan mit ihrem Heile und Wohle dafür einstehen, dass dem anderen kein Leid geschehe.“
–Rondrarium, Cap. Ariv. II,12

Ungerüstet und nur mit einem Schwert bewaffnet treten die Brautleute vor dem Geweihten und den geladenen Gästen gegeneinander an. Begleitet von den Worten des Rondrageweihten, der die fest vorgeschriebenen Angriffe und Wehren aus dem Rondrarium verliest, kreisen sie in einem meist schon lange geprobten Reigen umeinander. Akkurate Angriffe treffen auf passende Paraden, bis der Kampf im letzten rituellen Schlag gipfelt, der „die Besiegelung“ genannt wird. Jede Deckung fallen lassend, schlagen sich die Liebenden gegenseitig – zum ersten und zum letzten Mal – eine blutende Wunde. Geübte Kämpfer wählen dazu häufig die Brust über dem Herzen, weniger versierte zielen auf Arm oder Schulter. Ist die Besiegelung vollführt, stößt der Rondrageweihte beide Arme hoch in die Luft und ruft „Der Göttin gefällt’s“, woraufhin die Brautleute ihre Waffe fallen lassen und einander in die Arme fallen, um ihr Blut zu vermischen. Damit ist die Verbindung vor den Augen der Alveransleuin auf ewig besiegelt und der Geweihte segnet ihn für alle hör- und sichtbar.
Direkt im Anschluss überreichen die Bundzeugen „Ring und Band“. Der Ring soll an den eines Kettenhemdes erinnern und dazu ermahnen, den Geliebten ebenso zuverlässig zu schützen, wie ein ein solches. Ursprünglich waren diese Ringe in ihrem Aussehen tatsächlich Kettenringen nachempfunden und meist aus Waffenstahl. Mittlerweile sind sie meist aus rondragefälligem Silber und – je nach Vermögen – kunstfertig graviert. Selten werden Edelsteine eingelassen, bei denen der Smaragd als Rondras Stein oder der traviaheilige Saphir die bei weitem gebräuchlichsten sind. Getragen wird der Bundesring am Ringfinger der Herzhand, also der Linken. Das Band ist hingegen ein traditionelles Friedensbändchen, mit dem der Weidener sein Schwert an der Scheide befestigt, wenn er das Gastrecht in Anspruch nimmt. Es soll die Gatten ermahnen, Frieden mit dem Angetrauten zu halten. Friedensbänder, die anlässlich einer Hochzeit geschenkt werden, sind ausnahmslos eigens dafür gefertigte, kostbare Kleinodien. Besonders beliebt sind Stickereien, die die Geschichte der Liebe der beiden Eheleute erzählen. Als Referenz an die Hüterin von Herdfeuer und Familie sind die Bänder meist orange, aber mit einer Vielzahl von Farben bestickt. Bundesbänder werden eigentlich nur bei Familienfesten getragen und nicht weitervererbt, sie begleiten die Gatten bis ins Grab.


Mit Rahjas Gaben und Segen – Das Hochzeitsfest

Im gleichberechtigten Weiden ist nicht festgelegt, welcher Familie die Ehre zukommt, das Hochzeitsfest auszurichten. Vielmehr ist dies ein häufig heiß umkämpftes Vorrecht, das während der Verlobungszeit errungen wird. Denn einerseits ist ein Hochzeitsfest eine teure und aufwändige Angelegenheit, für die sich manche Familie bis über beide Ohren verschulden muss. Andererseits kann ein gelungenes Fest dem Gastgeber gehörige Ehre einbringen. Vom Ruhm besonders gelungener Feste kann die Familie über Generationen zehren.
So kommt es, dass es in Weiden bisweilen zwei Hochzeitsfeste gibt: einmal unmittelbar nach der Trauung bei der Familie der Braut und ein zweites Mal am Tag oder einige Tage darauf, bei der Familie des Bräutigams – oder eben umgekehrt. Gerade bei Adligen sind zwei Feiern durchaus üblich, niemand will schließlich knausrig wirken.

Das unmittelbar nach der Zeremonie beginnende Hochzeitsmahl nimmt seinen Anfang ohne Brautpaar, denn dieses wird, kaum dass Haus oder die Burg in Sicht kommt, unter lautem Lachen und Scherzen „gebettet“. Angeführt von den Bundzeugen und/oder deren Familie werden die frisch Vermählten in das eigens hergerichtete Hochzeitszimmer begleitet, bisweilen auch getragen, und zu Bett gebracht. Zwei Stunden dürfen die Vermählten nutzen, um nun die Ehe zu vollziehen und Rahja zu opfern. Kaum sind diese jedoch verstrichen, reißen die Geladenen die Türen des Hochzeitsgemachs auf, scharen sich um das, „nun erst richtig vermählte Paar“ und überschütten es mit allerlei Glückwünschen. Dann werden sie, ihre Blöße mal mehr mal weniger schicklich bedeckt, in ein dampfendes Bad geführt. Erst danach dürfen sie ihre Hochzeitskleider wieder anlegen und sich an die reichlich gedeckte Tafel setzen – zu der nun üblicherweise bestens gelaunten Hochzeitsgesellschaft. Bis tief in die Nacht wird geschmaust, gezecht und gefeiert. Dabei setzen die Darbietungen von Barden und Gauklern immer wieder Glanzpunkte.


Sturm und Drang - Das Hochzeitsturnier

Am Tag oder auch einige Tage nach der Hochzeit – je nachdem wie weit die Familiensitze auseinanderliegen – veranstalten Adelsfamilien gern Turniere. Häufig ist zu hören, dass dies geschieht, um die Sturmleuin zu ehren. Das mag durchaus seine Richtigkeit haben und die Rondrakirche hört es ausgesprochen gern, tatsächlich aber entspricht es vor allem der Weidener Mentalität, eine gute Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Denn wann hat man schon einmal so viele Streiter auf einem Fleck und damit Gelegenheit, die Fähigkeiten der Nachbarn und seine eigenen zu überprüfen?

Hochzeitsturniere erfüllen allerdings noch einen anderen Zweck: Sie erlauben es mancher Jungritterin und manchem gestandenen Rittersmann, sich zu präsentieren oder selbst als heiratswillig zu erkennen zu geben. Entsprechend sind Turniere anlässlich einer Hochzeit zwar durchaus ernsthafte Angelegenheiten, ihnen fehlt üblicherweise aber die andernorts so häufig zu beobachtende Verbissenheit. Dies vermutlich auch, weil die Kombattanten von der vorangegangenen Feier noch angeschlagen sind. Vermutlich liegt dort auch der Grund dafür, dass Hochzeitsturniere recht häufig mit einem unerwarteten Sieger aufwarten.
Außerdem ist die Zahl der Disziplinen auf zwei begrenzt. Wird die Verbindung zweier mächtiger Häuser, die gegebenenfalls aus verschiedenen Grafschaften oder gar Provinzen stammen, gefeiert, beginnt das Turnier mit einem Buhurt. Die Landsleute des Bräutigams treten gegen die der Braut an und es gibt viele Berichte, wonach es über den Buhurt zum ersten Ehestreit des frisch vermählten Paars kam, weil einer den eigenen Leuten allzu eifrig zugejubelt hatte. Dem heiteren Anlass zum Trotz ist nämlich jede Seite darauf aus, den Sieg davonzutragen und Zeugnis der eigenen Wehrhaftigkeit abzulegen.
Weniger bedeutsame Familien verzichten auf den Buhurt. Stattdessen werden Zweikämpfe zu Fuß ausgefochten, bisweilen auch Wettbewerbe im Bogenschießen abgehalten, die jedoch nur Adelspersonen offenstehen.
Die Krönung des Turniers ist die Tjoste. Hier können Recken und Ritterinnen Gunstbändchen erbitten und damit für alle Welt sichtbar Interesse an jemandem bekunden. Darüber hinaus ist es üblich, dass unterlegene Bewerber hier ein letztes Mal zu Ehren der Braut oder des Bräutigams kämpfen. Eigens dafür werden Gunstbändchen angefertigt, die nach dem Ritt und ungeachtet des Ausgangs der Tjoste dem Gatten oder der Gattin der ehedem Auserkorenen überreicht werden. Verbunden ist diese Geste mit der Ermahnung, seine oder ihre Pflichten als Ehepartner bloß ernst zu nehmen.
Der Sieg bei einem Hochzeitsturnier ist gut für die Reputation, bringt darüber hinaus aber wenig ein. Meist werden eher symbolische Siegprämien ausgelobt, denn es soll tatsächlich zu Ehren der Brautleute und nicht der Bereicherung wegen gestritten werden.
Übrigens bleibt just den Brautleuten eine Teilnahme an diesem Turnier verwehrt. Ihnen kommt es stattdessen zu, den Kämpfen aufmerksam zu folgen und nicht mit Lob zu sparen.


Weidener Hochzeitsbräuche