Grafenhof Olat, Efferd 1038 BF

Walderia von Löwenhaupt ist eine der dienstältesten Gräfinnen in der mittelreichischen Geschichte. Seit 980 BF trägt sie die Bärwalder Krone und begeht folglich demnächst ihr 60. Thronjubiläum. Sehr zum Bedauern ihrer Vasallen blieb die weise alte Dame Zeit ihres Lebens unvermählt und kinderlos. Nicht wenige sorgten sich daher um das Schicksal der Grafschaft Bärwalde und waren recht überrascht, als 1037 BF offenbar wurde, dass Frau Walderia das Erbe ihres Lehens zu regeln gedachte, indem sie eine junge Ritterin an Kindes statt annahm – mit dem Segen der Traviakirche und der Zustimmung ihrer Nichte, Herzogin Walpurga von Löwenhaupt.

Gräfin Walderia wollte den Namen ihrer Erbin auf dem Olater Bognerfest im Rondra 1037 BF offiziell bekanntgeben. Dies wäre aber beinahe verhindert worden, denn mit Gift und Heimtücke trachteten feige Attentäter Bärwaldes geliebter Gräfin nach dem Leben (siehe AvB 168). Den Zwölfen sei Dank, gelang es wackeren Gästen des Fests, rechtzeitig ein Heilmittel zu beschaffen, ein unter hässlichen Umständen aufgefundenes gräfliches Testament als meisterliche Fälschung zu entlarven und die nichtsahnende Erbin Griseldis von Pallingen vor einem tödlichen Hinterhalt zu bewahren.

Zunächst wurde der Landvogt von Gräflich Pallingen, Geiserich von Haffstein, ein alter Widersacher der Familie von Pallingen, als Drahtzieher hinter den üblen Machenschaften bezichtigt – vor allem von Frau Griseldis selbst. Doch nach weiteren Ermittlungen konnte die wahre Schuldige in der Schwester Gräfin Walderias ausgemacht werden: Rahjane von Löwenhaupt. Offenbar konnte sie es nicht verwinden, dass ihrem Enkel Rupold von Geltring-Weiden die Baronskrone von Mittenberge vorenthalten werden soll, und sie schritt daher zur Tat.

Am 10. Hesinde 1037 BF, Griseldis’ 27. Tsatag, lud Gräfin Walderia den Weidener Adel erneut nach Olat ein, diesmal zum firungefälligen Turnier. In einer feierlichen Zeremonie nahm die alte Dame Frau Griseldis als Tochter und Titelerbin an (siehe AvB 175). Dass die künftige Gräfin weiterhin den Namen „von Pallingen“ tragen wird, mag viele erstaunen. Doch kundige Leser kennen sicher die Geschichte ihrer Familie, die nicht nur von altem Adel ist, sondern in der Vergangenheit insgesamt mehr als 200 Jahre lang die Grafen Bärwaldes stellte. Die Herrschaft derer von Pallingen fand 631 BF in der von Herzog Bernhelm von Weiden initiierten „Blutnacht von Olat“ ein grausames Ende. Erst 720 BF wurde ihr Anspruch von Herzog Jarlan erneut bestätigt. Als 777 BF die nur 15-jährige Erlgard als letzte Gräfin ihrer Familie mit Baron Rondradan von Löwenhaupt vermählt wurde, begründete dies die Herrschaft der Löwenhaupts über Bärwalde und später über ganz Weiden.

Die Götter wollten es, dass sich Frau Walderia der alten Bärwaldener Grafenfamilie stets verbunden fühlte und Gefallen an der jungen Griseldis fand, als sie sie auf einer Reise vor vielen Wintern kennenlernte. Das aufgeweckte Mädchen soll sie damals mit einem treffenden Zitat aus einer alten Weidener Weise überrascht und so ihre Neugier geweckt haben. 1026 BF holte Frau Walderia Griseldis als Knappin an den Olater Grafenhof, auf dass sie die nötige „Erziehung“ erhalte. Das ist Gerüchten zufolge aber nur teils gelungen: So soll Walderia die junge Frau zwar einerseits für ihren starken Willen, ihr großes Herz und ihre Belesenheit schätzen, andererseits aber durchaus Probleme mit ihrer Ungeduld und zeitweiligen Undiszipliniertheit haben.

Die Zukunft wird zeigen, ob Bärwaldes weise alte Herrscherin auch bei der Wahl ihrer Nachfolgerin so umsichtig und vorausschauend war, wie es ihr sonst immer nachgesagt wird. Oder ob sich das Herz in diesem Falle einmal zum Herrscher über den Kopf aufgeschwungen hat. (ar)