Festung Hohenstein, Mitte Boron 1033 BF

Landvogt Firutin von Hohenstein zu Weiden saß an der Tafel in der Großen Halle und war gerade damit beschäftigt sein Abendmahl einzunehmen. Plötzlich öffnete sich das Tor; herein stolperte mit schnellen Schritten einer seiner Leibeigenen.

„Euer Hochgeboren ...“, mit einer kurzen Verbeugung bat er um das Gehör seines Herren, welcher nur ein kurzes, unwilliges Knurren von sich gab. „Herr ... ein Händler aus Greifenfurt. Er…Er möchte Euch sprechen.“ Stammelte der Knecht weiter. Firutin machte jedoch nur eine kurze Handbewegung mit welcher er ihm bedeutete, er solle den Händler eintreten lassen. Es verging ein kleiner Augenblick, als sich das Tor ein weiteres Mal öffnete; herein trat ein junger Mann in edler Kleidung. Sogleich zog er sich den Hut vom Kopf und beugte ein Knie vor dem verdutzt wirkenden Landvogt. „Euer Hochgeboren entschuldigt die Störung zu dieser späten Stunde ...“ Spott blitzte in Firutins Augen auf; „Steht auf wenn Ihr etwas Rechtes seid, Mann!“ Sagte er amüsiert und legte seine Bratenkeule auf den Holzteller zurück. „Sprecht, wer seid Ihr und was wollt Ihr?“ Fügte der Landvogt hinzu, nachdem er seinen Mund mit dem Ärmel seines Hemdes säuberte. Der eben eingetroffene richtete sich auf.

„Nun Herr ich bin gekommen um Euch über die fürchterlichen Zustände am Nornstieg zu berichten.“ „So?“ Fragte Firutin lauernd. „Ja nahe Radbruch bin ich mit meinen Männern in einen Hinterhalt geraten ...“, antwortete der junge Händler mit erregter Stimme, „In einem kleinen Waldstück wurden wir von vermummten Reitern überfallen, die abgeschlagene Orkenschädel als Feldzeichen führten ...“ „Einen Orkfladen erzählt Ihr mir, Bursche!“ Firutin von Hohenstein platzte nun sichtlich der Kragen. Er ließ sich von so einem verweichlichten Burschen nicht darüber aufklären, dass es in seinem Lehen Probleme gab. Er wusste um die Umtriebe des verfemten Borka Fälklin, doch war es ihm neu, dass er seine Angriffe nun vermummt und unter einem „Feldzeichen“ ausführte. Mit harscher und spottender Stimme fuhr er fort: „Ich danke Euch für die Nachricht, die Ihr mir überbracht habt. Solltet Ihr ein Quartier für die Nacht benötigen wendet Euch an einen der Knechte, doch nun lasst mich zu Ende speisen. Ich werde die nötigen Schritte einleiten, um mich dieses Problems anzunehmen ...“

Nachdem der Händler sichtlich dankbar die Halle verlies, stieß Firutin einen lauten Seufzer aus. Als hätte er mit Orks und dem Drachen nicht schon genug zu tun, jetzt spazieren ihm hier auch schon solche Händler-Pfeifen in die Halle. „Rondradan!“, rief er und Momente später schritt ein schüchterner Jüngling in einem grün-weißen Wappenrock in die Halle. „Schicke mir Blaubinge, ich habe etwas für ihn zu tun. Aber zack-zack.“ Mit einer ausladenden Handbewegung trieb er den Knappen noch zusätzlich an, der sogleich die Halle verließ um seinen Auftrag auszuführen. Firutin von Hohenstein blickte noch einige Momente still vor sich hin – die Worte des Händlers gingen ihm einfach nicht aus dem Kopf…


Am nächsten Morgen

„Ah Blaubinge, sehr gut ...“, Landvogt Firutin von Hohenstein richtete sich erfreut in seinem Ledersessel auf und blickte auf den eben Eingetretenen. Es war ein junger Ritter von schlanker Gestalt, gewandet in den schwarzen Wappenrock der Finsterwacht, welcher auf der Brust einen silbernen Turm zeigt. Darunter trug er ein langes Kettenhemd und dazu noch dunkelbraune Lederbeinlinge und Handschuhe, schwarze Reiterstiefel und, bedingt durch die bereits herrschende Kälte, einen schweren schwarzen Wollumhang.

Mit einer leichten Verbeugung grüßte Ailfir Blaubinge von Pergelgrund seinen Lehnsherrn. „Euer Hochgeboren, Ihr wolltet mich sprechen?“ Sprach er und wärmte sich einige Momente händereibend am nahestehenden Kamin auf. „Jaja, setzt Euch ...“, mit einer einladenden Geste wies der Landvogt seinem Gegenüber an sich zu ihm an den Tisch zu setzen, „ ...ich nehme an Ihr habt Hunger. Ich lasse Euch sogleich etwas bringen.“ Firutin wollte sich sogleich zu seiner in der Halle stehenden Magd umwenden und sie um das Auftragen eines zweiten Tellers zu bitten, als sein junges Gegenüber ihn mit einer abwehrenden Handbewegung daran hinderte. „Habt Dank, Euer Hochgeboren, doch mir scheint Euer Ruf war sehr dringlich. Es wäre mir lieber wenn Ihr mich sogleich einweihen würdet.“

„Nun gut ...“, antwortete ihm der Landvogt, „Ihr wisst um die ... hm ... sagen wir schwierige Situation, in welcher wir uns zur Zeit befinden.“ Ailfir nickte mit eiserner Miene. „Das Drachenvieh wird seit unserer Niederlage immer dreister und auch der Ork scheint unsere momentane Schwäche nutzen zu wollen. Ich muss Euch ja nichts davon erzählen, dass immer öfter kleinere Gruppen der Schwarzpelze in unserer Gegend gesichtet wurden. Keine Ahnung was die vorhaben, aber die Bauern rennen mir die Tür ein. Die trauen sich ob dieser ...“, Firutin verzog verächtlich sein Gesicht, „... Orkgefahr nicht mehr hinaus auf die Felder. Und das obwohl nicht bekannt wäre, dass die Orks aggressiv gegen unsere Ansiedlungen vorgehen würden. Nun ja bis auf die eine Sache bei Euch unten in Travienlob eben.“ Nach einer kurzen Pause und einem kurzen Blick in Ailfirs tiefe, blaue Augen, welche in diesem Moment traurig und leer wirkten, fuhr er fort. „Doch Blaubinge, dies ist nicht der Grund für meinen Ruf nach Euch.“

„Nicht ... ?“ Fragte der junge Ritter mit einer vor Verwunderung hochgezogenen Augenbraue. „Nein. Mir wurden Berichte zugetragen, dass am Norrstieg eine neue Bande ihr Unwesen treibt.“ „Orks?“ Ailfir lehnte sich interessiert nach vorne. „Nein, anscheinend Menschen, doch wiedersprechen sich Berichte über diese Bande. Obwohl nicht wenige sagen, es handle sich um Gesichtslose oder Dämonen, die Frauen und Kinder rauben und eine blutige Schneise durchs Land ziehen, ist mir kein Mensch bekannt, der unter den Schwertern eben dieser Räuber an Leib und Leben zu Schaden kam. Gestern dann brachte irgend so ein verweichlichter Greifenfurther Händler hier in der Halle vor, dass er nahe Radbruch überfallen wurde. Pah ehrloses Händlerpack …“, Landvogt Firutin spie verächtlich auf den Boden, „Steuern und Wegzölle wollen sie keine zahlen, doch wenn ihnen einmal jemand zu nahe kommt, kommen sie angekrochen – dann soll es der Adel richten! Unsereins würde sich selbst darum kümmern, nicht?“ Leise lachend klopfte Firutin seinem jungen Gegenüber auf die Schulter und fuhr nach einer kurzen Pause fort. „Blaubinge ich möchte, dass Ihr dieser Sache auf den Grund geht. Sammelt mir Informationen über diese Halunken und hindert sie, wenn möglich, daran weitere Überfälle auszuführen. Nehmt Euch ein oder zwei Waffenknechte aus meinem Gefolge und zieht nach Radbruch.“

Dem fragenden Blick des sich langsam erhebenden Ailfirs entgegnete er mit einem Fausthieb auf die schwere Tischplatte. So fest schlug der Landvogt auf die Tafel, dass alle Becher und Teller in seiner unmittelbaren Nähe einen Hüpfer machten. „Bei den Göttern auf was wartet Ihr?! Ich habe Euch schließlich nicht als optischen Aufputz in meine Halle rufen lassen!“