“In längst vergangenen Tagen, da unsere Länder, die Wälder und Flüsse, heute nicht mehr bekannte Namen trugen, lebte zwischen zwei Wasserläufen, die wir in der Gegenwart als Pergel und Dergel kennen, ein junger Waydmann, der von seinen Eltern Yann gerufen wurde. Er war nicht der beste Schütze und auch nicht der beste Fährtenleser, lebte aber in einer kleinen Holzburg nahe dem heutigen Dorf Mittenwalde im Dûrenwald.

Yann liebte es, durch die Weiten des Forsts zu schreiten und man sagte ihm nach, sich gleichermaßen mit Tieren und Pflanzen unterhalten zu können. Ja, selbst die Dûren schienen ihn in ihrem Wald zu akzeptieren und ließen ihn während seiner lang ausgedehnten Wanderschaften und Jagden unbehelligt.

Eines Abends erblickte der junge Mann eine liebliche weiße Maid, im Beisein einiger Hirschen und Hasen, an einer Waldlichtung auf einem Baumstumpf sitzen und weinen. Sie trug ein weißes Kleid, hatte blasse Haut und schneeweißes Haar. Aus ihren blauen Augen fielen Tränen, als wären es Schneeflocken. Gleich kleiner Steine blieben sie auf dem Waldboden liegen und wurden über die Augenblicke, da Yann die Szenerie mit offenem Mund bewunderte, mehr und mehr.

Angetan vom Anblick der jungen Frau, inmitten der Ansammlung von Tieren, fasste sich der Waydmann ein Herz und schritt an sie heran. Ohne zu wissen, dass es sich bei der Unbekannten um die leibhafte Ifirn handelte, die dort das Verschwinden ihrer Tochter betrauerte, schwor er ihr, betört durch ihren göttlichen Liebreiz, das Silberschwänlein Lidari zu finden.

Doch sollte sich diese Aufgabe nicht so einfach darstellen. Die Weiße Maid erzählte davon, dass Lidari sich in einen schwarzen Wolf verliebte, der hier in der Nähe lebte. Eben jenes Tier soll von eindrucksvollem Wuchs gewesen sein; das Fell schwarz glänzend gleich feinster Seide, der Körper schlank und kräftig, die Zähne weiß wie Schnee und Augen blau wie die Tiefen des Pandlarin verliehen dem Wargen ein erhabenes, beinahe königliches Aussehen, das einer Halbgöttin würdig zu sein schien.

Die Tochter der Weißen Maid soll ihrem Geliebten bereitwillig in die Welt der Menschen gefolgt sein, wo er sie, eifersüchtig wie er war, jedoch festsetzte und nicht dazu bereit war, sie gehen zu lassen. Yann jedoch wusste, dass es sich bei eben jener Kreatur um den Herren des Wargenforst handeln musste. Er kannte die Geschichte von Alari und auch, was es Perdan abverlangt hatte, sie zu befreien.

So wandelte der tapfere Yann auf den Spuren des Recken Perdan in den düsteren Wargenforst, welchen er Zeit seines Lebens gemieden hatte und machte sich daran, nach Lidari zu suchen. Das Silberschwänlein fand sich tatsächlich am vermutenden Ort und wie ihre göttliche Mutter schien sie todtraurig über ihr Schicksal zu sein.

Der Waydmann wusste jedoch, dass er kein strahlender Ritter war, wie Perdan vor ihm und er dem Wargen nicht mit dem Schwert begegnen konnte. Deshalb appellierte er an die Arroganz und Überheblichkeit der Kreatur und schlug ihm einen Wettkampf vor. Wenn er es innerhalb  zweier Praiosläufe schaffte, einen Eisflockenquarz aufzutreiben, würde Lidari frei sein. Schaffte er es nicht, würde er schwören nie wieder einen Fuß in den Wald zu setzen.

Der Warg, sich seines Sieges sicher, willigte ein. Er kannte die Gegend wie seine Westentasche und wusste, dass sich solche Steine hier nicht fanden. Yann jedoch war innerhalb eines Praioslaufes zurück gekommen und holte schief grinsend eine Hand voll Eisflockenquarze aus seiner Tasche. Es waren Ifirns Tränen gewesen, die sie für ihre Tochter auf jener kleinen Waldlichtung vergoss, auf der der Waydmann sie getroffen hatte.

Auch heute noch gilt eben jene Waldlichtung, nahe dem Dorf Mittenwalde, an der Ifirns Tränen Dere berührten, als der Weißen Maid heilig, da diese als Jagdziel in größter Not schon so einige Menschen vor dem Hungertod bewahrte. Es befindet sich dort immer jagdbares Wild.

Der Warg ließ die beiden ziehen und groß war die Freude der Weißen Maid, als sie ihre silbern gefiederte Tochter in die Arme schließen konnte. Yann der Waydmann wird in Weidenhag auch heute noch als Tagesheiliger verehrt - zusammen mit Lidari rufen wir ihn an, wenn wir um die sichere Rückkehr aus der Wildnis bitten. Die eigene und jene unserer Lieben.”

- die Sage von Yann dem Waydmann und dem Hain der weißen Maid, wie sie in der südlichen Heldentrutz gerne erzählt wird