Salthel & Beonspfort, 19. Phex 1046 BF

Dass irgendetwas Merkwürdiges in Beonspfort vorgeht, darüber wurde hinter vorgehaltener Hand schon länger gemunkelt. Es ist weithin bekannt, dass der Herrscher der Baronie an der Pforte zur Roten Sichel, Riko von Sterz, viel reist und in der Fremde Ruhm und Ehre an seinen Schild heftet, während er in Weiden wegen unrondrianischen Verhaltens und vermeintlich illegaler Geschäfte von Standesgenossen oft mit scheelen Blicken bedacht wird. Dennoch hat wohl niemand ernsthaft damit gerechnet, dass er irgendwann tatsächlich anderswo sein Glück suchen könnte.

Beginnen wir mit einer eifnachen Frage: Worüber genau wurde gemunkelt? Nun, es heißt, dass der Sterzer in den vergangenen Götterläufen bei seinen Reisen gen Westen öfter schweres Gepäck mit sich geführt haben soll. Beim Verlassen der Burg und auf dem Weg durch die Siedlung Beonspfort sei er manches Mal mit mehreren Wagen unterwegs gewesen, die angeblich mitunter gar Möbelstücke geladen hatten. Entsprechend lautete eines der glaubhafteren Gerüchte, dass er nach seinem Sieg beim Nordmärker Herzogenturnier 1044 BF mit einem Gut ebendort belohnt worden sei und sich nun im Reich Hagrobalds vom Großen Fluss eine Residenz einrichte.

Es hieß weiter, dass Riko von Sterz als Sieger der Tjost 1044 BF maßgeblich für die Organisation des nächsten Herzogenturniers im Phex 1048 BF verantwortlich sei und seine Anwesenheit in den Nordmarken daher viel öfter erforderlich, als es bisher der Fall war. Gerüchteweise hing nicht zuletzt deshalb der Haussegen am Baronshof schief, denn seine Gemahlin Ullgrein von Gugelforst, sah sich ständig und dauerhaft mit einer Bagage von mittlerweile fünf Kindern allein gelassen. Etwas das ihr – so man unbestätigten Gerüchten aus Beonspfort Glauben schenken mag – viel weniger liegt als die Verwaltung des Lehens für ihren absenten Gemahl.

Im Sommer 1046 BF hatte der Grafenhof offenbar genug von den allenthalben ins Kraut schießenden Gerüchten und lud den Sterzer nach Salthel, als er gerade mal wieder für eine kurze Stippvisite in der Sichelwacht weilte. Wie das Gespräch verlaufen ist, dazu sind uns keine Informationen ans Ohr gedrungen. Sein Ergebnis allerdings war kurze Zeit später bereits das beherrschende Thema in den Straßen und Tavernen der Grafencapitale: Riko von Sterz will das zu Beonspfort nicht länger im Namen tragen, sondern künftig zu Riedenburg geheißen werden. Ja, verehrte Leser, genau das bedeutet es: Der Sterzer gibt seine Baronie in der Weidener Sichelwacht auf, um neue Wurzeln in der nordmärkischen Grafschaft Gratenfels zu schlagen.

Nun muss eine weitere Frage erlaubt sein: Ist dies eine freiwillige Entscheidung gewesen, oder hat Bunsenhold von Wolkenstein und Wettershag ihn dazu gezwungen, sein Lehn aufzugeben und so verhindert, dass die Familie von Sterz künftig nicht nur eine Baronie, sondern gleich zwei – noch dazu in verschiedenen Provinzen des Raulschen Reichs – unter ihrer Herrschaft hat? Auch hierzu gibt es leider keine gesicherten Informationen. Wenn man bedenkt, wie Herr Bunsenhold die Sichelwacht seit seinem Amtsantritt 1028 BF regiert, liegt jedoch die Vermutung nahe, dass er eine nicht ganz unwesentliche Rolle beim Abschied des Herrn von Beonspfort gespielt hat. Offenbar ist ein weiterer Sichler Hochadeliger über die Fallstricke gestolpert, die der alte Intrigant in den vergangenen zwei Jahrzehnten quer durch seine Grafschaft gesponnen hat.

Es gibt einen Umstand, der diese Theorie zu untermauern scheint: Die Gemahlin des Sterzers, Ullgrein von Gugelforst, soll wenige Monde vor ihm in Satlhel gewesen sein, um ihrerseits ein Gespräch mit dem Grafen zu führen – so informell allerdings, dass kaum jemand davon weiß. Allein, Fantholi hat gute Quellen am Hof und eine davon beliebte uns mitzuteilen, dass die Gugelforsterin sich bei diesem Treffen Luft gemacht haben soll. Es ist ein offenes Geheimnis, dass in der arrangierten Ehe zwischen ihr und Herrn Riko niemals Liebe im Spiel war und auch wenn es mittlerweile eine erkleckliche Anzahl an Kindern gibt, ist das Verhältnis zwischen den beiden mit der Zeit eher schlechter als besser geworden. Vielleicht ja bis zu dem Punkt, dass Frau Ullgrein beim Grafen aus dem Nähkästchen geplaudert hat? Ihn mit Informationen versorgt, die er nutzen konnte, um den Sterzer abzuservieren, als der rechte Zeitpunkt gekommen war?

Riko von Sterz selbst hat das bei einer Nachfrage durch dieses Blatt als „haltlose Spekulationen“ und „infame Lügerei“ abgetan. Fakt ist jedoch, dass er die Baronie Beonspfort Anfang Phex mit Sack und Pack verlassen hat: mit der Mutter, der Schwester, seinen fünf Kindern, einer Tante, die bisher als Edle von Beilstadt fungierte, und offenbar auch mit dem gesamten Hausstand, der bis jetzt noch nicht in die Nordmarken befördert worden war. Wer fehlt in dieser Aufzählung? Richtig, seine Gemahlin. Schwer vorstellbar aber wahr: Statt ihrem Mann und vor allem den Kindern in die neue Heimat zu folgen, ist die ehemalige Heroldin der Heldentrutz in ihre alte zurückgekehrt. Gerüchteweise ohne auch nur einen Blick zurück zu werfen.

Darüber möge sich letztlich jeder selbst ein Urteil bilden, es wirft unserer Meinung nach aber kein gutes Licht auf die Ehe des Sterzers und auch nicht auf die mütterlichen Qualitäten der Gugelforsterin. Gleich wie: Das Kapitel der Familie von Sterz in Weiden, das überhaupt erst zu Zeiten Kaiser Hals begonnen hat, ist hiermit geschlossen. Die Geschichte der Sippe reicht nicht weit zurück, es gibt also keine entfernten Verwandten, die unversehens auftauchen und einen Anspruch auf die Baronie Beonspfort erheben könnte, nachdem Riko von Sterz eben jenen aufgegeben hat und samt seiner Kinder abgezogen ist. Folglich steht in der Sichelwacht wieder einmal eine freie Baronie für die, wir alle wissen es, Graf Bunsenhold von Wolkenstein und Wettershag bestimmt schon ziemlich konkrete Pläne hat. Bekannt geworden ist darüber jedoch bislang nichts.