Sankta Boronia, später Ingerimm 1046 BF

Die Stimmung in dem großen Festzelt war feierlich, immerhin hatten die Großen des Raulschen Reiches den Festakt zum fünfundzwanzigjährigen Gedenken der Schlacht an der Trollpforte begangen.
In einer der hinteren Ecken des Zeltes hatte sich, trotz der späten Stunde, eine ansehnliche Gruppe von Adligen versammelt, die einem weitaus freudigeren Anlass beigewohnt hatten.
Schweigsam und in sich gekehrt war die Knappin Revienna in die Mitte der Gruppe getreten und hatte kaum jemanden wahrgenommen. Dabei hatten sich mit dem Herzog Tobriens, der Kanzlerin des Herzogtums und dem Illuminatus Tobriens wirklich hochangesehene Gäste eingefunden, um der Zeremonie beizuwohnen. Ein rothaariges Mädchen von vielleicht 10 Jahren war vorgetreten und hatte einen mächtigen Zweihänder herbeigetragen. Ein glänzendes Schwert, das sie etwa um einen halben Spann überragte und von dessen Parierstange zwei lange Bänder hingen. Ein rotes, über und über bestickt mit silbernen Wagenrädern und ein reinweißes, das fliegende schwarzen Falken zierte, die sich auch auf dem weißen Kleid des Mädchens fanden.
Ein etwas düster wirkende Ritter hatte Revienna und ihr Anliegen vorgestellt und seine Anwesenheit erklärt. Er würde Revienna die Leite erteilen, da ihre eigentliche Schwertmutter von Rondra in ihre Hallen befohlen worden war und nur durch ihr Schwert Sturmrufer, den Zweihänder, den das Mädchen stolz aufrecht hielt, vertreten werden konnte. Ein etwas sonderlicher Weidener Brauch, nachdem ein eine Ritterin durch ihr Schwert vertreten werden konnte.
Arnôd Pratos von Grevenstein hatte Revienna geheißen niederzuknien und dann die traditionellen Worte der Schwertleite gesprochen. Drei Mal hatte er sie danach mit der Klinge Sturmrufers berührt und als er sie emporgezogen hatte, gürtete das Mädchen, Avia Nordfalk von Moosgrund, sie mit ihrem ersten eigenen Schwert. Wulfendorn hieß es und es lag gut in der Hand. Neu geschmiedet aus einer alten Klinge, die sich lange im Besitz des Hauses Sturmfels befunden und auf sie gewartet hatte, jetzt aber mit feinen Silberintarsien versehen, die auch einen Werwolf verletzen würden.
Und als Arnôd die Versammelten aufrief die neue Ritterin zu begrüßen, da kam freudiger Jubel auf. Ihre Mutter Liannen, Tobriens Kanzlerin, umarmte Revienna herzlich. Und die beiden Ritterinnen Wesanka von Korswandt und Lleara-Dhana von Yyoffrynn-Thama, schlossen sie in ihre Arme, als seien sie Schwestern. Voller Stolz trug sie bald auch die silberne Fibel, die ein aufrechtes, geflügeltes Schwert zeigte, das Erkennungszeichen des ritterlichen Bundes Walkürjasmal. Und vor den Versammelten schwor Revienna ihren ersten Schwur, nicht zu ruhen, bis die Mörder ihrer Schwertmutter Ardariel bestraft und erschlagen seien.
Bald schon würden sie aufbrechen und sie ein letztes Mal Halt auf Burg Moosgrund machen, die in den letzten sechs Jahren ihre Heimat gewesen war. Und dann würde sie nach Hause zurückkehren, nach Erlschwerd, der tobrischen Baronie, die das Lehen ihrer hohen Mutter war. Und dann würde die Jagd auf die Schergen des Dunklen Herzogs erst recht beginnen.