Briefspieltext von Axel und Kalli; Zusammenfassung im Fantholi-Artikel
Protagonisten:
Firian Böcklin von Buchsbart, Baron zu Schneehag
Gamhain von Brachfelde, Baron zu Brachfelde
Stinia von Silberbrück, Vorsteherin der Balsaither Händlergilde
Wilfing Böcklin von Bockenstein, Knappe des Schneehagers
Terkol Schüttinger, Braumeister zu Geestingen
Meister Bartok „Kappe“ Sohn des Burrag, Meisterschmied auf der Feste Anbalsaith
Balsaith, Rondra 1033 BF.
Firian Böcklin von Buchsbart zu Schneehag war soeben durch das Aidaritor von Balsaith geritten. Er drehte sich kurz in seinem Sattel um und prüfte, ob sein Gefolge noch hinter ihm war. Zuerst kam direkt hinter seinem Tralloper Graf Morgenstrahl sein Knappe Wilfing Böcklin von Bockenstein. Dieser saß auf einem Pferd, das seinen Zenit schon überschritten hatte, aber durchaus noch eindrucksvoll war. Hinter Wilfing folgte ein mit mehreren Fässern beladener Leiterwagen, gezogen von 4 Maultieren. Auf dem Kutschbock saßen ein Knecht, eine junge Frau und der Leiter der Geestinger Brauerei, Terkol Schüttinger. Den Schluss der Reisegruppe bildeten zwei Katzbalger, die Waffenknechte der Schneehager Barone, auf ihren Fessliner Lichtmähnen.
Firian ritt mit seinen Leuten bis auf den Marktplatz der Stadt. An einem Gasthaus, dessen Name „Saithinger“ lautete gab er schließlich Zeichen anzuhalten. „Wilfing, du reitest zur Burg des Barons, kündigst mich an und fragst, ob der Baron Zeit hat mich zu empfangen!“
Der junge Mann nickte und machte sich sogleich auf den Weg.
Dem Rest der Reisegruppe gab er Zeichen abzusitzen und tat selbiges. Zum Knecht und der jungen Frau sagte er: „Ihr kümmert euch um die Pferde und achtet abwechselnd auf den Wagen.“
Er ließ seinen Blick kurz über das Geschehen auf den Marktplatz schweifen bevor er sich an die beiden Waffenknechte wandte: „In einem halben Stundenglas seid ihr wieder hier und haltet euch bereit. Bis dahin schaut euch ruhig um.“ Die Angesprochenen nickten kurz, bevor sie sich aufmachten.
Zum Schluss war Terkol an der Reihe: „Lasst uns in das Gasthaus gehen, uns den Staub der Reise aus dem Mund spülen und schauen, wie das Bier hier so schmeckt.“
***
Wilfing Böcklin kam kurze Zeit später am Tor der Feste Anbalsaith an. Dort angekommen sprach er den am Tor stehenden Waffenknecht an: „Mein Name ist Wilfing Böcklin von Bockenstein. Bring mich zu jemanden, der was zu sagen hat, damit ich ihm meinen Schwertvater ankündigen kann.“
Der Torwächter, ein etwas dicklicher, junger Mann in dem für Brachfelde typischen rot-weiß-grünen Wappenrock, hatte gelangweilt zugesehen, wie der Reiter den Burgberg heraufkam. Das Wappen schien dann aber doch seine Neugier zu wecken. Bei Nennung des Namens zogen sich seine Augenbrauen misstrauisch zusammen – er hatte schon allerlei verworrene Geschichten von den Böcklins gehört, allen voran Yolanda von Bockenstein. Doch hatten nicht auch die Böcklins so wacker vor Beonfirn gekämpft und dem Baron geholfen?
„Wartet hier!“, antwortete er schließlich ein wenig zu schroff und eilte davon.
Ungeduldig wartete Wilfing vor dem mächtigen Tor der düsteren Feste Anbalsaith. Heiß war es an diesem Sommertag und er freute sich auf einen kühlen Trunk. Er ließ seinen Blick schweifen über die Dächer Balsaiths zu Füßen des Burgbergs, die Alte Straße entlang, die in den Ifirnstann führte, von wo sie gekommen waren. Ein Leben in der Stadt konnte er sich nicht so recht vorstellen, aber dennoch würde er gern einmal durch die Gassen schlendern und die Händler, Fuhrknechte, Marktfrauen, Handwerker und Bauern bei ihrem Treiben beobachten … Doch sein Herr würde ihm das sicher nicht gestatten.
Jäh wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Das Tor öffnete sich. Ein alter, grauhaariger Mann in einer vornehm zweckmäßigen Gewandung blickte ihn streng an. „Travia zum Gruße! Ich bin Patras Tannhaus, der Haushofmeister des Barons. Wer ist Euer Schwertvater? Wünscht er Seine Hochgeboren zu sprechen und in welcher Angelegenheit?“
Wilfing sah den Mann an und obwohl er anscheinend eine wichtige Position innehatte, schien er kein Adliger zu sein. Deshalb beschloss er auf seinem Pferd sitzen zu bleiben. Er richtete sich auf und sprach mit stolzer Stimme: „Mein Schwertvater ist Seine Hochgeboren Firian Asralion Böcklin von Buchsbart Baron zu Schneehag. Wenn es die Zeit von Seiner Hochgeboren Brachfelde zulässt, würde er ihn gerne in einem Stundenglas sprechen. Da es sich um eine Angelegenheit im Namen des Listenreichen handelt, würde mein Schwertvater gerne einen Berater mitbringen, der sich in derlei Dingen besser auskennt als er selber, sind ihm die Wege des Alten vom Berg und der Frouwe Travia doch viel vertrauter als die des Listenreichen!“
Nachdem er die wohl oft geübte Rede beendet hatte, seufzte Wilfing erleichtert auf, etwas zu laut wie es schien, da er sich sogleich ärgerte.
„Es wird Seiner Hochgeboren selbstverständlich eine Ehre sein, den Baron von Schneehag zu empfangen. Auch lässt es sich gut einrichten“, die faltige Miene des Haushofmeisters hatte sich aufgehellt und er lächelte dem jungen Mann freundlich zu. „Wobei …, wenn es um eine phexgefällige Handelsangelegenheit geht, wird mein Herr sicherlich auch die Anwesenheit Seiner Wohlgeboren Stinia von Silberbrück wünschen, ihres Zeichens Vorsteherin der hiesigen Händler. Ich denke, ich sollte nach ihr schicken lassen. Oder wollt Ihr sie selbst benachrichtigen? Ihr findet sie entweder im Haus der Balsaither Händlergilde am Marktplatz oder im Silberbrück-Kontor am Phexenplatz. Oder soll Euch jemand den Weg weisen?“
Der Haushofmeister konnte förmlich die Verzweiflung und Ratlosigkeit über dem Kopf des jungen Knappens schweben sehen: „Also… Seine Hochgeboren… wollte...“, begann Wilfing langsam, „glaube ich schon auf die Burg kommen, wenn es geht.“ Langsam schien er sicherer zu werden: „Das Gildenhaus würde ich schon finden. Aber da Ihre Wohlgeboren sicherlich viel beschäftigt ist, denke ich, ist es besser, wenn Ihr nach ihr schicken lasst.“
Nur ein leichtes Zucken im Lächeln des Haushofmeisters ließ erahnen, was er über die Antwort des Jungen dachte. „Dann lasst mal gut sein“, antwortete er beschwichtigend. „Sagt Eurem Herrn, er sei auf Feste Anbalsaith sehr willkommen und möge sich gern mit seiner Begleitung in einem Stundenglas hier einfinden.“
Während Wilfing sich wieder auf den Rückweg nach Balsaith machte, sah er wenig später, wie ein etwas abgerissen aussehender Junge mit zerzaustem Haar aus dem geöffneten Burgtor lief und in halsbrecherischen Sätzen den Burgberg hinabsprang.
***
Ein knappes Stundenglas später machte Firian sich mit seinem Gefolge vom „Saithinger“ aus zur Feste auf. Ohne weitere Aufenthalte ritten sie direkt bis vor das Burgtor. Der Waffenknecht am Tor schien Bescheid zu wissen und ließ die Gruppe um den Baron von Schneehag passieren. Neugierig schweiften dessen Blicke über den Burghof, in die Richtung, aus der die Geräusche der Schmiede kamen, schaute er etwas länger. Nachdem alle auf dem Burghof angekommen waren, saß Firian ab und klopfte sich ein wenig den Staub ab. Er hatte sich von dem Rüstzeug befreit, welches er während der Reise nach Balsaith getragen hatte. Nun trug er leichte, halbhohe Lederstiefel und eine fast wie neu aussehende Wildlederhose. Dazu kam dann eine naturfarbene und ungewöhnliche, weil kurzärmelige, Cotte, darüber ein knielanger Surcot in Blau und Weiß, den Farben Schneehags. Der Rand des Kleidungsstücks war mit einer Borte verziert, die Ifirnssterne zeigte. Dem dazugehörigen Gürtel konnte man zwar ansehen, dass er auch recht neu war, aber ansonsten war er unscheinbar. An der rechten Hand trug er wie immer einen schweren Siegelring mit dem Böcklinwappen.
Wenig später wurden die Gäste in den Palas gebeten, wo sie in der Hofstube, dem Rittersaal der Feste, herzlich empfangen wurden. Firian wurde von seinem Knappen und Terkol Schüttinger begleitet. Beide hielten sich zunächst aber im Hintergrund.
Baron Firian erkannte sogleich den Brachfeldener wieder, unverwechselbar mit seinem rotblonden Haar, den blauen, wachsamen Augen und dem gepflegten Vollbart. Baron Gamhain trug über einem weißen Leinenhemd eine braune, edel golden bestickte Samtjacke und eine wildlederne Hose, dazu einen breiten, mit Jagdmotiven verzierten Gürtel.
„Seid mir gegrüßt in Traviens Namen, Bruder Schneehag! Ich hoffe, Ihr hattet eine angenehme und sichere Reise? Aber einem so stattlichen Recken wie Euch würde das Lumpenpack im Ifirnstann sicher nicht zu Leibe rücken. Wollt Ihr Eure trockenen Kehlen mit ein wenig Kräuterwein oder Met vom Staub befreien?“ Er deutete auf die Becher und Krüge, die auf der Tafel bereitstanden. Daneben wartete ein neugierig dreinblickender, junger Kerl, offenbar der Knappe des Barons, beflissentlich darauf, den Gästen einen Trunk zu reichen.
Erst jetzt fiel Baron Firian die dunkelhaarige Frau auf, die sich gerade anmutigen Schrittes aus den Schatten neben dem Fenster löste und sich neben den Baron stellte. Auch wenn die grauen Strähnen schon auf ein reiferes Alter schließen ließen, verschlug es Firian doch ein wenig den Atem angesichts ihrer weißen, makellosen Haut, die das lange schwarze Haar und das dunkelblaue Damengewand aus Baumwollsamt kontrastierte. Mit einem vornehmen Lächeln blickte sie ihn aus dunklen, unergründlichen, mandelförmigen Augen an. Die weichen Züge ihres Gesichts hatten etwas Fremdartiges, dass er nicht richtig einordnen konnte.
„Äh ja, ich vergaß“, meinte Baron Gamhain ein wenig irritiert. „Wenn ich Euch Ihre Wohlgeboren Stinia von Silberbrück, meine Stiefschwester, vorstellen darf? Sie unterhält mit ihrem Gemahl ein angesehenes Kontor in der Stadt und steht auch der Balsaither Händlergilde vor.“
Firian begrüßte seine beiden Gastgeber freundlich. „Sehr gerne nehme ich einen Met. Die Reise war recht ereignislos, muss ich sagen. Mir scheint zuweilen sind die Berichte über das Räuberpack im Ifirnstann doch stark übertrieben und noch stärker, dass Ihr selbige nicht im Griff habt. Die Gastung, die ich in Mallaith erhielt, möchte ich Euch gegenüber noch loben. Die junge Lehnsnehmerin von Euch dort macht einen sehr guten Eindruck.“
Der Brachfeldener war bei der Nennung der Räuber im Ifirnstann leicht zusammengezuckt, entspannte sich aber bei der Nennung seiner Vasallin gleich wieder. Firian trank einen Schluck Met und schaute sich dabei kurz in der Halle um. Die Edle Stinia blickte derweil interessiert Terkol Schüttinger an. Dieser wurde sichtlich nervös ob der Musterung durch die schöne Frau.
„Ich hoffe Eurer Frau und Euren Söhnen geht es ebenfalls gut?“
„Danke der Nachfrage! Meine Gemahlin weilt gerade auf dem Rhodenstein, und wo meine beiden Rabauken herumtollen, das kann man nie so genau sagen – als Pagen wird man ihnen hoffentlich ihre Flausen austreiben...“ Neugierig blickte er den jungen Baron an: „Ihr wart Gast bei Ritterin Elana von Funkenstreich? In der Tat bin ich mit ihr hoch zufrieden. Es war sicher nicht leicht für sie, in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten, gleich nach ihrem Ritterschlag. Wie ist denn das werte Befinden Eures Vaters? Und stehen die Dinge in Schneehag gut?“
Ohne jegliche Gefühlsregung antwortete Firian auf die Frage von Gamhain: „Nun mein Vater befindet sich seit nunmehr 11 Götternamen auf seiner firungefälligen Pilgerreise. Wir haben seitdem nichts von ihm gehört und angesichts der Härte dieser Reise und der Wenigen, die von ihr zurückkehren, rechnen wir auch nicht damit. Trotzdem bin ich sicher, dass er in diesem Moment genau da ist, wo er sein möchte …“
Es schien so als ob Firian nichts weiter sagen wollte, doch dann hellte sich seine Miene wieder auf. „Schön, das von Euren Kindern zu hören, es war ja viel los bei Euch in der letzten Zeit. Ich denke, da hat man sich solchen Lärm mehr als verdient. Nach meiner Vermählung vor ein paar Wochen hoffe ich auch bald Ähnliches zu hören.“
„Oh, das ist ja eine frohe Kunde. Geht es Eurer Gemahlin gut? Und was Euren Vater angeht: Er stellte sich tapfer und freiwillig dieser Prüfung. Daher ist es nun am grimmen Firun, über Wohl oder Wehe zu entscheiden. Möge er wohlbehalten wiederkehren!“
„Nun meiner Gemahlin geht es hoffentlich gut. Ich denke, es braucht halt ein wenig Zeit, um sich vom Grafenhof in Eslamsgrund als Knappin von Graf Siegeshart auf das Leben in der Trutz umzustellen. Wenn ich ehrlich bin, so richtig gewöhnt haben wir uns noch nicht aneinander, trafen wir uns doch persönlich das erste Mal bei der Verlobungsfeier, während des Ingerimmsturniers zu Eslamsgrund vor drei Götternamen. Aber nach dem Baronsrat im Travia werde ich mit ihr für mindestens ein paar Tage alleine sein und spätestens dann, hoffe ich, wird alles gut. Ich überlege sogar schon, mit ihr für eine Weile in den Furnwald zu den Elfen zu gehen. Ihr müsst wissen, Adaque hat Elfenblut in ihren Adern, da ihre Mutter eine Halbelfe war.“
„Eine interessante Idee. Ich muss gestehen, auch wenn ich mich den Elfen ebenso verbunden fühle wie Ihr, es ist wirklich nicht immer einfach, ihre Gedanken nachzuvollziehen. Aber hoffentlich hört Eure Gemahlin mehr auf ihr menschliches Erbe, so dass ihr euch schnell aneinander gewöhnt. Aber das gehört hier jetzt wohl nicht hin. Kommen wir also zurück zum Thema.“
Baron Gamhain wies seinen Gästen freundlich die Plätze und man saß nun in gemütlicher Runde beisammen. „Was führt Euch denn nun an meinen Hof? An einem so wunderbaren Tag wie diesem?“
Firian trank noch einen Schluck aus einem Krug, bevor er sein Anliegen vortrug: „Bruder Brachfelde, ich bin heute hier, da ich der Meinung bin, dass einem jeden von uns andere Fähigkeiten von den Göttern gegeben wurden. Ich erlaube mir kein Urteil über die Eurigen, doch trete ich Euch hoffentlich nicht zu nahe, wenn ich sage, dass Ihr, sicherlich unter anderem, auch auf Phexens Pfaden Fähigkeiten besitzt. Mir haben die Götter und meine Eltern ebenfalls viele Fähigkeiten mitgegeben, doch gehören die eben genannten nicht dazu. Um nicht zu sagen, dass ich mich eher auf diesen Pfaden verirren würde als den richtigen Weg zu finden.“
„Aber, aber, mein Bester, nur keine falsche Bescheidenheit“, antwortete Baron Gamhain geschmeichelt und prostete dem Schneehager zu.
Das vielsagende Lächeln der Edlen Stinia konnte Firian dagegen nicht recht deuten und fuhr leicht irritiert fort: „Nun kommt es aber, und das nicht zuletzt durch das Ultimatum von Haffax und natürlich den ständig dräuenden Orken, dass ich in nächster Zeit klingende Münzen benötige. Um Waffen schmieden zu lassen, Waffenknechte und Schildmaiden anzustellen und Ritter in den Dienst zu nehmen. Mein Vater war zeit seines Lebens ein sehr sparsamer Mann, wodurch es mir gegeben war, mehr Münzen als gedacht im barönlichen Säckel zu haben. Die ersten Schritte sind gemacht, durch die Schneehag nicht nur gut auf Haffax vorbereitet ist, wenn genug Zeit bleibt. Darüber hinaus konnte ich das erste Mal nach langer Zeit die Orks einmal angreifen, nicht nur gegen sie verteidigen, und das, wenn auch nicht ohne Verluste, erfolgreich. Nun ja, lange Rede, kurzer Sinn. Die Münzen, die in meinem Säckel sind, schmelzen dahin wie Butter in der Sonne. Meine Vasallen zahlen alle ihren Teil, doch wie Ihr sicherlich aus eigener Erfahrung wisst, erfolgt dies zumeist in Form von … Naturalien und nicht in Form von Münzen. Ebenso kann ich nicht verleugnen, dass Schneehag nicht reich ist, und mit den Abgaben lassen sich gerade so die Klingen unterhalten, die es jetzt hat.“
„Ja, da sprecht Ihr ein wahres Wort, Bruder Schneehag“, erwiderte der Brachfeldener mit ernster Miene. „Solange an allen Grenzen Feinde dräuen, wird Weiden wohl nie zur Ruhe kommen. Da braucht es schon ausreichend Männer und Frauen unter Waffen. Auch wir haben ähnliche Probleme, obwohl wir unsere Landwehr regelmäßig Waffenübungen abhalten lassen. Es fehlt aber immer noch an genug kriegserfahrenen Kämpfern. Aber lasst hören, was Ihr Euch gedacht habt, wie das Problem zu lösen ist. Ihr werdet ja kaum mit Hühnern und Ziegen gegen die Orks zu Felde ziehen?“
Firian musste ob des Scherzes unwillkürlich grinsen. „Das nicht gerade … Ich muss einen Weg finden, an neue Münzen zu kommen. Wie Ihr vielleicht gehört habt, gibt es bei mir in Geestingen eine Brauerei, die zur Hälfte dem Baron von Schneehag gehört und feines Bier herstellt. Vor kurzem konnten wir eine Malzdarre bauen, wodurch wir nun mehr Bier herstellen können als vorher. Und diesen Überschuss würde ich nun gerne an Euch verkaufen. Oder besser gesagt an Eure Händler. Wenn ich richtig informiert bin, handeln diese schon seit längerem nicht mehr mit dem ‚Jerganer Edelpils?“
Gamhain und seine Stiefschwester wechselten kurz Blicke. „Wenn du antworten magst …“, sagte der Baron dann höflich.
„Sehr gern. Nun, Euer Besuch erfreut mich sehr, denn es scheint der Listenreiche selbst zu fügen, dass wir uns hier zusammengefunden haben. Als Vorsteherin der Balsaither Händlergilde darf ich sagen, dass es mir eine große Ehre ist, dass Euer Hochgeboren in Erwägung zieht, mit uns Handel zu betreiben. Und Ihr habt mit Euren Überlegungen schon ein wichtiges Gebot befolgt, denn heißt es nicht: ‚Hilft dir selbst, dann hilft der Phex’?“ Stinia blickte Firian lächelnd und mit einem leichten Zwinkern an, so dass es ihm gleich etwas wärmer im Raum zu werden schien.
„Was das ‚Jerganer Edelpils’ angeht“, unterbrach Gamhain zögerlich. „Ihr müsst wissen, dass es sich um einen Ableger einer liebfeldschen Brauerei handelte. Es gab … Vorbehalte der Leute, was man ihnen nicht verdenken darf, angesichts des überheblichen Gehabes der Liebfelder. Erinnert Ihr Euch an den Hoftag zu Windhag im Ingerimm? Mann, Mann, Mann! Ich muss mir immer ein Lachen verbeißen, wenn ich diese Hofschranzen mit ihren Rüschenhemdchen und ihren albernen, federbewehrten Hütchen sehe … Äh, aber ich schweife ab …“ Gamhain war sich erst jetzt des strengen Blicks der Edlen gewahr geworden. „Was ich eigentlich sagen will: Ich bin mir nicht so sicher, ob das mit dem Bier so eine gute Idee ist … Kein Wunder, dass nach dem Orkensturm keiner mehr bereit war, das kleine Brauhaus in Ognin wiederaufzubauen.“
Bei der Erwähnung, dass das Jerganer Edelpils horasisches Bier war, verzog Firian kurz den Mund. „Verzeiht, aber das kann ich niemandem verdenken, dass die Plörre keiner saufen wollte.“
„Aber lieber Gamhain! Du wirst doch unseren Gast nicht mit deiner Schwarzmalerei brüskieren wollen?“, tadelte Stinia ihren Stiefbruder und legte dabei Firian beruhigend ihre Hand auf den Oberarm, eine Berührung, die er nicht unangenehm fand. „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!“, fuhr die Edle fort. „Ihr habt vollkommen Recht, Euer Hochgeboren. Was soll schon ein gestandener Weidener mit horasischem Bier anfangen, das womöglich noch dazu nach Liebfelder Art aus zarten Gläschen zu trinken war und mit dem man sich mit einem blasierten ‚Stößchen’ zuprosten sollte? Was Weidener brauchen ist Weidener Bier, in irdenen Krügen! Würzig-malziger, kräftiger, männlicher Gerstensaft …!“
Bei dieser äußerst überzeugenden Rede entging Firian nicht, wie die Hand der Edlen ein Stück seinen muskulösen Oberarm hinaufgewandert war. Unbeholfen versuchte er, seine oberste Hemdschlaufe etwas zu lockern. Irgendwie schien es ihm allmählich doch sehr warm in diesem Saal zu sein.
„Genau! Richtiges Bier braucht es da! Ich habe den Braumeister sowie Proben der gebrauten Biere mitgebracht“, sagte er leicht krächzend und zeigte auf Terkol Schüttinger, der bis jetzt noch nichts gesagt hatte.
„Stinia, du hast mich überzeugt“, sagte Gamhain. „Werter Firian, gerne probiere ich Euer Bier, auf dass es einem echten Weidener auch wohlschmecke! Womöglich sollten wir uns aber noch die Meinung eines einfachen Mannes einholen, was meint Ihr? Schließlich soll es ja den Leuten schmecken und nicht nur dem Adel. Wen könnte man denn da nehmen?“, überlegte er laut.
Firian hatte die Zeit, in der Gamhain sprach, noch einmal genutzt und sich Stinia genau beguckt. Er merkte, wie er sich innerlich ärgerte. ‚Mensch, schöne Frau, wärst du mir doch vor ein paar Götternamen mal begegnet. Da hätten wir uns den Bierdurst schon erarbeiten können. Doch jetzt … Travia würde mich wahrlich verdient strafen, wenn ich nur ein paar Wochen nach der Vermählung in ihrem Namen mich schon wieder an ihre Schwester Rahja halte’, ging es ihm weiter durch den Kopf, so dass er Gamhain gar nicht recht verstand.
„Öhm, wie jetzt, einfachen Mann …? Ach so, zum Probieren … Ähm, also ich finde, das braucht es nicht unbedingt. Zum einen traue ich uns doch zu, dass wir beurteilen können, dass das Bier was taugt. Zum anderen kann ich mir auch nicht wirklich vorstellen, dass ein Mann aus dem einfachen Volk etwas anderes sagt als das, was er glaubt wir hören wollen. Das würde ich jedenfalls tun, wenn ich plötzlich vor meinen Baron und seine Gäste gerufen werde und Bier probieren soll. Aber ich mag mich auch täuschen und hab’ nichts dagegen.“
„Guter Einwand, Ihr versteht die Leute“, schmeichelte Stinia von Silberbrück.
„Hm … also kein einfacher Mann …“, überlegte Gamhain, der noch immer an seiner Idee Gefallen fand. „Wie wär’s mit einem wahrhaftigen Angroscho? Meister Bartok Sohn des Burrag wird sich bestimmt über eine kleine Pause freuen. Und wir können uns darauf verlassen, dass er als alter Freund meines Vaters seine Meinung sehr ehrlich zum Ausdruck bringen wird. Ilgolf, lauf zur Schmiede hinüber und hol Meister Bartok her. Sag’ ihm, es sei dringend“, trug er seinem Knappen auf, noch bevor Firian widersprechen konnte.
Einige Zeit später öffnete sich die Tür und ein russverschmierter, verschwitzter Zwerg mit einem gewaltigen, schneeweißen Rauschebart und Knollennase kam schweren Schrittes herein. Neben seiner mehr als speckigen Hose, dicken Schnürstiefeln und einem fleckigen Lederkittel hatte der Meisterschmied eine seltsame schwarze Lederkappe mit silbernen Nieten auf dem kahlen Kopf, die ihm den Spitznamen „Kappe“ eingebracht hatte. Selten hatte der Schneehager einen so muskelbepackten Zwerg gesehen – der noch dazu furchteinflößend grimmig dreinblickte.
„Was ist denn jetzt schon wieder so dringend?“, polterte er sogleich los. „So werde ich mit der Lieferung nach Olat ja nie fertig!“ Dann stutzte er. „Oh, Ihr habt Gäste, Gamhain. Sagt das doch gleich.“
Etwas ungelenk und ächzend verbeugte sich der Zwerg vor Firian und dem Braumeister. „Was gibt’s denn, hohe Herren? Meine Schwerter schmieden sich nicht von selbst und allzu lang sollte ich meine Gehilfen nicht aus den Augen lassen.“
„Ganz vortrefflich, lieber Meister Bartok, dass du uns mit deiner Anwesenheit beehrst“, antwortete Baron Gamhain leicht sarkastisch. „Firian Böcklin, Sohn von Marbert, Baron von Schneehag, und ich möchten dich um deine hochgeschätzte Meinung bitten. Es geht um Bier! Meister Schüttinger hier braut es zu Geestingen und nun möchte ich mich gern der Qualität seiner Erzeugnisse vergewissern. Was meinst du, kannst du uns helfen?“
Schlagartig hatte sich die Miene des Zwergs aufgehellt. „Bier? Sagt das doch gleich! Einem kühlen Trunke zwischendurch bin ich durchaus nicht abgeneigt.“ Mit großen Augen und leicht geöffnetem Mund blickte Bartok den Braumeister erwartungsvoll an.
Dieser schaute kurz verunsichert zu Firian, dem ob des Gebarens des Zwergs für einen Liedschlag die Gesichtszüge entgleist waren. Doch dann nickte er dem Braumeister zu. Herr Schüttinger fing sofort an, mit mehreren Fässchen zu hantieren, die er mitgebracht hatte.
Firian nutzte die Gelegenheit, um den Angroscho kurz anzusprechen: „Ihr seid also der berühmte Waffenschmied Bartok Sohn des Burrag? Ich habe schon viel über Eure Werke gehört, und wenn dieser Tag gut für mich verläuft, dann wäre ich dankbar, wenn ich Euch in Eurer … Schmiede einmal aufsuchen dürfte.“
Der Zwerg zwang sich sichtlich, sich vom Anblick der Fässchen loszureißen, als er dem Baron von Schneehag antwortete: „Ja, meine Schwerter haben sich einen gewissen Ruf erworben.“
„Zu Recht!“, versicherte Baron Gamhain.
„Wer hätte gedacht, dass ich mich vom guten Valgor – dem Vater von Gamhain hier, ein Prachtkerl von einem Großling – einmal beschwatzen lassen würde, mit ihm zu ziehen und fern der Heimat eine Schmiede einzurichten. Scheint mir, als ob es gestern gewesen wäre, dass wir zusammen an der Esse standen. Aber dann kam Ysilia und … mein alter Freund kehrte nicht wieder … und …“ Ein kleines Tränchen schien sich im Augenwinkel des Zwergs zu bilden. „… und ich muss mich ganz allein mit diesen Faulpelzen herumschlagen, die sich Lehrlinge schimpfen.“
Irritiert beobachtete Firian, wie der Zwerg ein riesiges, fleckiges Tuch aus seiner Hose kramte und sich schier ohrenbetäubend schnäuzte, bevor er fortfuhr: „Aber Gamhains Freunde sind mir natürlich in meiner Schmiede willkommen. Solange Ihr nichts anfasst!“
Unterdessen war der Braumeister fertig mit seinen Vorbereitungen und wandte sich nun an die anwesende Gesellschaft: „Nun, mit eurer Erlaubnis würde ich euch nun zunächst die Sorten vorstellen. Wir hätten da zunächst das leichte Schankbier ‚Hager Feder’, das Vollbier ‚Hager Schwarzbier’ und das Starkbier ‚Hager Buchsbartbräu’. Alle drei sind für Gaststätten und reichere Haushalte gedacht. Dazu kommt dann noch das Emmerbier ‚Hager Krumme’, welches von der gemeinen Bevölkerung als Teil der Grundversorgung genutzt wird. So ist es jedenfalls in Schneehag. Wenn keine Einsprüche erhoben würden, schlage ich vor, dass wir mit dem ‚Krumme’ beginnen und dann über das ‚Feder’ zum ‚Hager Schwarzbier’ übergehen und uns dann zum Schluss der Krönung meiner Braukunst widmen, dem ‚Hager Buchsbartbräu’!“
Noch ehe es sich der Braumeister versah, hatte sich Bartok schon den gereichten Krug geschnappt und mit unglaublich schnellen, lauten Schlucken geleert. „Ah, das perlt!“, brummte er dann und wischte sich den Schaum vom Mund. „Solide, für den Hausgebrauch!“
„Wenn Ihr als nächstes das ‚Fe…’“, setzte Terkol Schüttinger, wurde jedoch rüde unterbrochen.
„Keine langen Reden halten! Ich weiß, wo’s lang geht“, grummelte Bartok und griff nach dem Krug, noch bevor der Braumeister vom Zapfen abgesetzt hatte.
„Hm, etwas zu schwach auf der Brust, das Schankbier. Dann wohl mehr was für Euch, Wohlgeboren …“, sagte er wenig später, als er den leeren Krug sinken ließ. Erst als er Stinias giftigen Blick bemerkte, kratzte er sich verlegen am Kopf und meinte entschuldigend: „Äh, so war das nich’ gemeint, äh, Ihr wisst schon, wenig zum Greifen … äh, zu mager … äh, vom Geschmack her … das Bier …“ Der nächste Krug, diesmal mit Vollbier, schien seine Rettung. Bevor er sich noch mehr um Kopf und Kragen redete, ließ er sich nun deutlich mehr Zeit beim Trinken.
Auch Baron Gamhain, seine Stiefschwester und der Baron von Schneehag ließen sich vom Gerstensaft reichen, wenn auch ihre Krüge längst nicht so voll waren wie die des Schmieds. So prostete man sich zu und die Stimmung wurde zusehends heiterer und lockerer.
„Das hier war aber lecker!“, stellte Bartok fest, nachdem er den letzten Krug geleert hatte. Freudig grinste er den Braumeister mit leicht geröteter Knollennase an. „Da würd’ ich Euch schon noch ein, zwei Fässchen abnehmen, guter Mann.“
„Sehr wohl, mein Herr. Zwei Fässchen ‚Hager Buchsbartbräu’, sehr gern“, antwortete Terkol Schüttinger beflissentlich und atmete erleichtert auf, hatte er doch nicht mit so einem kritischen Publikum gerechnet.
„Ganz ausgezeichnet! Die Entscheidung ist gefallen“, Stinia von Silberbrück klopfte Baron Firian begeistert auf die Schulter. „Werter Firian, das will wirklich was heißen, wenn Euer Bier nicht nur uns verwöhnten Adligen aufs Vortrefflichste bekommt, sondern auch einem nörglerischen Angroscho zusagt.“
„Hm?“, machte Bartok überrascht und hielt mit leicht glasigem Blick beim Trinken inne, aber nur kurz – er hatte sich heimlich noch den letzten Rest aus dem Fässchen einschenken lassen.
Auch Firian war mehr als erleichtert, nur versuchte er halbwegs erfolgreich, sich das nicht anmerken zu lassen. Innerlich gratulierte er sich auch, ruhig geblieben zu sein. Bei allem Standesbewusstsein, genau solches „Volk“ wie der Angroscho waren es, die das Bier in solchen Mengen würden trinken können, dass er es in seinem Beutel bemerken würde und seine Pläne würde umsetzen können.
Derweil hatte, scheinbar im Gegensatz zu Firian, sein Knappe die Andeutungen der Edlen Stinia ebenfalls bemerkt. Mehrmals versuchte er Augenkontakt mit ihr aufzunehmen und versuchte ständig sich in eine vorteilhafte Position zu stellen, um seine Männlichkeit zu beweisen und davon abzulenken, wie wenig Winter er bisher gesehen hatte. Ab und zu, wenn er sich unbeobachtet fühlte, ließ er seinen Blick sogar über den Körper der Edlen wandern und blieb an der einen oder anderen Rundung länger hängen.
Stinia von Silberbrück schien zunächst nichts zu bemerken und beachtete den Knappen nicht weiter. Als er aber wieder seine Blicke „wandern“ ließ, sah sie ihn unvermittelt an und lächelte. Sogleich verfiel er ihren dunklen Augen und den sinnlichen roten Lippen, die ihm wie ein Quell rahjagefälliger Wollust erschienen. Die Kaufherrin schien ernsthaft seine „Qualitäten“ als Liebhaber einzuschätzen, so dachte er sich und ihm wurde ganz schwindelig. Doch leider sollte es der einzige verheißungsvolle Blick an diesem Tag bleiben, zu dem sich die Edle herabließ.
Wilfing war zu überrascht von der plötzlichen Aufmerksamkeit, die ihm geschenkt wurde. Und schon war sie wieder vorbei, bevor er sich regen konnte. Innerlich verfluchte er sich für die vergebene Chance. Keiner wusste, ob solch eine Gelegenheit noch einmal wiederkommen würde. Nach einem Moment des Sammelns fing er gleich wieder mit dem Posieren an. Doch die Edle schien ihn zu ignorieren, so sehr er sich auch bemühte. Schließlich übertrieb er es und Firian wurde seines Gezappels gewahr. „Wilfing, hörst du wohl mal auf, hier wie ein wirres Huhn rum zu zappeln!“
Der Gescholtene erstarrte sofort und trotz allen Bemühens bemerkte er, wie er knallrot anlief. Er wusste nur nicht, ob es mehr vor Scham oder vor Wut war.
Firian wandte sich schließlich an die beiden Brachfelder Adligen, nachdem er Meister Bartok kurz zunickte: „Es freut mich wirklich, das zu hören. Ich würde sagen, falls wir zu einer Einigung kommen, was die Details angeht, kann sich der Handel zu unserer beider Gefallen entwickeln. Gibt es vielleicht noch weitere Produkte aus Schneehag, die Eure Händler abnehmen können.“
„Was habt Ihr denn noch zu bieten?“, fragte die Edle interessiert.
„Nun da wären vielleicht noch so ein zwei Dinge. Wenn es um Masse geht, fällt mir da zunächst der Torf zum Heizen an, der in der Nähe von Ottersberg abgebaut wird. Von der Menge her schon wesentlich weniger, aber dennoch vielleicht interessant wäre auch die Etiliengrunder Tinte. In dem Kloster beherrscht man die Herstellung schon sehr lange. Nachdem vor kurzem die letzten Schäden aus dem Orkensturm beseitigt wurden, stellt man sie auch wieder mehr Tinte her als nur für den Eigenverbrauch. Zum anderen wäre da noch der Bogenbauer aus dem Dorf Schneehag direkt in Sichtweite meiner Burg. Er stellt gute und solide Jagdbögen her, auf Nachfrage auch Langbögen und ganz selten sogar einmal Kompositbögen. Doch sein wirkliches Meisterwerk sind seine wirklich ausgesprochen guten Pfeile. Allerdings muss ich gleich sagen, dass der Mann nur Pfeile mit Hornspitzen herstellt, die dementsprechend „nur“ für die Jagd geeignet sind.
Zu diesen unbelebten Dingen kommen dann noch folgende zwei Dinge: Da wären einmal besondere Hütehunde, von denen man meiner Meinung nach im ganzen Herzogtum keine besseren findet. Und als letztes eine wirkliche Schneehager Rarität. Es gibt eine kleine Schafsrasse, die einfach nur Heidschnucken genannt werden. Sie sind wirklich recht klein und ihre Wolle ist nicht von besonders guter Qualität noch Menge. Aber dafür ist der Geschmack ihres Fleisches wirklich vorzüglich. Vor dem Orkensturm hatte so gut wie jede Familie ein zwei dieser Tiere und viele hatten sogar Herden. Heute gibt es leider nur noch drei kleine Herden, von denen aber eine mir gehört, und die Tiere vermehren sich wieder gut.
Tja, das wäre es so im Großen und Ganzen, was ich noch anbieten könnte. Natürlich gibt es auch noch die normalen Dinge wie Holz, Kartoffeln, Rüben, Kohl, Felle und dergleichen. Aber ich denke, nichts davon habt ihr nicht auch hier in Brachfelde, und dazu kommt, dass die Mengen, die wir von diesen Dingen liefern könnten, wahrscheinlich nicht den Weg lohnen würden. Auch wenn es Schneehag wieder besser geht, so sind wir natürlich nicht in der goldenen Au.“ Die letzten Worte waren keineswegs mit Verbitterung gesagt, aber doch mit einem etwas merkwürdigen Unterton.
„Hm, interessant“, überlegte Gamhain und strich sich dabei durch den Bart. „Ich denke allerdings, dass Nebelmoor beschert uns ausreichend Torf. Und Schafe haben wir hier in Brachfelde mehr als genug, nicht zu reden vom ‚Überangebot’ aus der Hollerheide – ihr kennt ja sicherlich Lanzelunds Hollerschnucken? Tja, und das Handwerk des Bogenbaus hat hierzulande auch lange Tradition – man hat da sicherlich einiges von den Elfen des Ifirnstanns übernommen. Aber Tinte …? Was meinst du, Stinia?“
In diesem Moment stieß der alte Zwergenschmied hörbar auf und zog damit belustigte Blicke von Gamhain und Firian sowie einen äußerst pikierten Blick der Edlen auf sich. Ungeniert kratzte sich Bartok mit der einen Hand an der haarigen Brust unter seinem Lederkittel, während er sich mit der anderen Hand am Tisch aufstützte, um einen sicheren Stand zu bewahren. „Ich geh dann mal wieder an die Arbeit“, meinte er dann lakonisch, verbeugte sich vor den Adligen und ging schlurfend nach draußen. Nur ein kleiner Seitwärtsschlenker verriet, dass sich das Bier allmählich bemerkbar zu machen schien.
„Äh, wie meinen …?“, fragte Stinia und blickte dem Zwerg kopfschüttelnd hinterher. „Ach ja, die Tinte aus Etiliengrund. Das ist fürwahr eine besondere Ware, die wir nicht nur in Balsaith, sondern sicher auch in Olat, Mittenberge und vor allem auch in Trallop an gelehrte Herrschaften bringen können. Zusammen mit dem guten Büttenpapier aus Hahnbrück. Das würde mir gut gefallen.“
„Sieht so aus, als würden wir uns in jedem Fall mit Eurem Bier und der Tinte anfreunden können. Vielleicht beginnen wir erst mit einigen Fässern ‚Hager Schwarzbier’ und ‚Hager Buchsbartbräu’, um zu sehen, wie es sich verkauft. Dann können wir das Angebot ja immer noch erweitern.“ Gamhain schien recht zufrieden zu sein.
Meister Schüttinger hatte sogleich mit freudigem Gesicht die Bestellung notiert, ebenso wie ein paar Details, die er später noch zur Sprache bringen wollte. Es waren keine besonderen Dinge, mit denen er das weitere Gespräch der Adligen stören wollte, nur solche Dinge wie genaue Anzahl, Größe der Fässer, Liefertermin usw.
„Für die Tinte sollten wir zunächst noch klären, was wir absetzen können. Ich werde Euch dazu noch einen Boten schicken. Aber vielleicht gibt es ja auch Waren aus Brachfelde, die Euch gefallen könnten?“ Stinia lächelte Firian an und setzte sich aufreizend in Pose.
„Nun ganz gewiss wird es diese geben“, gab Firian zurück, während er versuchte die Pose der Edlen zu ignorieren. „Bevor wir darauf zu sprechen kommen, wollte ich aber noch kurz etwas erwidern. Zunächst was die Tinte angeht; die Klosterbrüder und -schwestern stellen ja diese Dornrindentinte her. Wenn ich das richtig im Kopf habe, meinten sie, dafür gingen am besten Schlehenzweige, die man im Peraine oder Ingerimm, kurz bevor sie ausschlagen, abschneidet. Da das ja nun gerade erst war und alle anderen mehr schlecht als Recht gehen würden, habe ich veranlasst, dass das Kloster dieses Mal dreimal mehr Tinte herstellt als es selber braucht. Ich hoffe, damit kommen wir die erste Zeit aus.
Was die Hollerschnucken angeht, natürlich kenne ich die. Wie gesagt die Schneehager Heidschnucken sind keine besonders guten Wolllieferanten und auch wegen ihrer Größe bringen sie nicht wirklich viel Fleisch. Doch das besondere ist wirklich der außerordentlich feine Geschmack des Fleisches. Das Fleisch der Hollerschnucken und anderer Schafe mag man jeden Tag essen, doch für die besonderen Anlässe wie Tsatage und ähnliche Feierlichkeiten würde ich Euch die Heidschnucken empfehlen. Vielleicht kommt Ihr mich ja mal in Schneehag besuchen und dann werde ich Euch einen solchen Braten anbieten.“
„Ihr versteht es wirklich, die Vorzüge Eures Landes anzupreisen, guter Firian. Phex ist mit Euch, wie mir scheint.“ Entspannt prostete Gamhain seinem Gesprächspartner zu. Im Verlauf des gemeinsamen Beisammensitzens hatte er einen sehr angenehmen Eindruck von dem jungen Baronet gewonnen. Jemand mit klaren Zielen, Weitblick und Verhandlungsgeschick war sicherlich ein Lehnsherr, wie ihn Weiden braucht. „Und Eurer Einladung werde ich nur allzu gern folgen. Nicht nur um mich vom leckeren Braten zu überzeugen. Es ist lange her, dass ich im schönen Schneehag weilte.“
„Na dann ist es höchste Zeit, würd’ ich meinen“, gab Firian gut gelaunt zurück. Eine Weile schaute er ein wenig abwesend in sein Glas und ließ seinen Blick schweifen. Bei Stinia verweilte er einen Lidschlag länger und schüttelte kaum merklich den Kopf, schließlich richtete er sich wieder an Gamhain.
„Nun, Hochgeboren, wo sich das phexgefällige Treiben dem Ende zuneigt, hätte ich noch etwas anderes. In meinem Gefolge reist auch eine junge Frau mit, Laronis Fesslin ist ihr Name. Falls ihr es nicht wisst, Fesslin ist der Name der anerkannten Bastarde der Familie Böcklin. Laronis Großvater war kein Geringerer als Großritter Perinald Böcklin von Bockenstein. Nun ja, wie auch immer, die meisten Fesslins finden auf den beiden barönlichen Eigengütern in Schneehag ihr Auskommen oder auf Burg Firnhag selber. Bei Laronis allerdings verhält es sich so, dass sie gänzlich ungeeignet ist, was die Dinge von Peraine und Ingerimm angeht. Man soll Neuem ja immer aufgeschlossen sein und dazu aus allen Dingen möglichst etwas Nützliches ziehen. So kam mir vor kurzem die Idee, Laronis eine Ausbildung im Waffenhandwerk zukommen zu lassen. Dabei kam ich auf diese Schwertgesellenschule, die Ihr hier in Balsaith habt. Eigentlich halte ich ja nicht viel von diesen Schwertgesellen, aber für eine Knappenschaft ist Laronis schon zu alt, und genauso wie die Akademie in Baliho kommt beides aufgrund ihrer Abstammung auch nicht in Frage, schließlich ist sie ja nur noch zu einem Viertel adlig. Na ja, lange Rede kurzer Sinn, deshalb dachte ich mir, warum nicht mal diese Schwertgesellenschule hier ausprobieren. Was meint Ihr dazu?“
„Gewiss genießen die ‚Schwertgesellen Löwenklinge’ einen ausgezeichneten Ruf, so dass mir Eure Wahl gefällt. Auch werde ich gern bei Schwertmeisterin Matissa Trontis ein gutes Wort einlegen, denn sie unterzieht ihre Zöglinge einer eingehenden Prüfung körperlicher wie auch moralischer Art. Daher gestattet mir die Frage, ob Laronis auch wirklich von ganzem Herzen den Wunsch hegt, das Waffenhandwerk zu erlernen. Es wäre doch für alle sehr enttäuschend, wenn sie die Prüfung nicht bestehen sollte.“
„Das tut sie!“, antwortete Firian schnell. Danach schien er einen Moment nachzudenken und erweiterte dann seine Antwort. „Sie hat in den vergangenen Götternamen deutlich gezeigt, dass sie sich weder für die Feldarbeit eignet noch für ein herkömmliches Handwerk, ebenso wenig für das Dienen im Burgpersonal. Ich muss wohl zugeben, dass ihr größtes Streben die Rache an den Schwarzpelzen ist, aber auch das dringende Bedürfnis, ihrer neuen Familie Schutz zu geben und natürlich auch den anderen Menschen von Schneehag. Im letzten Orkensturm verlor sie Mutter, Vater, drei Geschwister und ihre Großmutter. Odilon, das momentane Oberhaupt der Fesslins fand sie gerade noch rechtzeitig.“
„Das arme Ding. Hat ihre ganze Familie verloren!“ Stinias Bedauern klang aufrichtig.
„Ja, traurig“, stimmte Gamhain ihr zu. „Aber Rache erscheint mir doch ein schlechter Ratgeber, um durchs Leben zu kommen. Ich habe oft erlebt, wie diejenigen scheiterten, die sich nur von ihrem Hass leiten ließen. Aber ich will nicht vorschnell urteilen. Soll besser Meisterin Matissa entscheiden, ob die junge Fesslin das Zeug zur Schwertgesellin hat.“
***
Bis tief in die Nacht hinein saßen die hohen Herrschaften noch zusammen, um dies und das zu bereden. Man war sich einig geworden und hatte Vertrauen aufgebaut – was nicht nur ein wichtiger Garant für den phexgefälligen Handel war. Auch das Band der Freundschaft zwischen den Baronen von Schneehag und Brachfelde war an diesem Tag gestärkt worden.