Kurz darauf im Kerker

Inja schreckte hoch als sich die Tür in ihre Zelle öffnete. Sie war allem Anschein nach eingeschlafen, obwohl sie es eigentlich vorzog nicht zu schlafen. Wenn sie schlief träumte sie düstere, verstörende Träume von ihrem Bruder, dem Kerkermeister und ihrem Gemahl. Und diese Träume waren für sie schlimmer als das leere, schwarze Nichts vor ihr wenn sie wach war. Wenn sie wachte hatte sie immerhin noch die Wahl an etwas Schönes zu denken. Sie dachte an ihre kleine Katze, die sie auf Gut Uhlengrund hatte und sehnte sich darauf hin nach der Berührung eines Lebewesens. Einzig die Bewegungen in ihrem Bauch, ihr ungeborenes Kind, spendete ihr Trost.

Inzwischen war das Licht der Fackel wieder so nah, dass es ihr Schmerzen in ihren, an die Dunkelheit gewöhnten Augen bereitete. Wie jedes Mal wurden ihr frisches Wasser und etwas zu essen gebracht. Ihrem Kind zu liebe nahm sie es immer zur Gänze ein. Inja hatte die ersten Male versucht mit dem Kerkermeister ins Gespräch zu kommen, doch sparte sie sich nun die Mühe, als sie merkte, dass sie nie auch nur ein Wort zurückbekam.

Dieses Mal schien jedoch etwas anders zu sein. Die Person, die sie mit Speis und Trank versorgte verließ sie nicht umgehend wieder. Nein. Vielmehr kniete die unbekannte Person neben ihr und strich ihr zärtlich über den Kopf. Inja konnte nicht beschreiben wie gut ihr diese Berührung tat.

„Wer bist du?" Fragte sie zögerlich und mit gebrochener Stimme.

„Das darf ich dir nicht sagen. Ich darf gar nicht hier sein." Flüsterte die Unbekannte und Inja vermeinte ihre Stimme schon einmal gehört zu haben. Sie meinte Unbehagen und Schuldgefühle in ihrem Gegenüber zu fühlen. Doch Inja schwieg.

„Ich muss gehen. Sei stark. Ich versuche dich hier heraus zu holen, doch brauche ich Zeit." Eine kurze Schweigephase brach abermals die Unbekannte, als sie sich erhob und aus ihrer Zelle schritt. Inja vermeinte hinter der Kapuze goldblonde Haare gesehen zu haben und starrte einige Zeit ungläubig in die Dunkelheit…