Wenig später in einem Kerker ...

Der Boden stank nach Ausscheidungen. Sie konnte dabei nicht sagen ob von Mensch oder Tier. Es gab kein Fenster, kein Bett, kein frisches Wasser. Vor ihr befand sich nur eine grob gearbeitete, schwere Holztür. Das Dunkel um sie herum war beinahe vollkommen. Sie hätte ebenso blind sein können. In Injas Kopf hämmerte es, sorgsam ertastete sie getrocknetes Blut an ihrem Hinterkopf. Die Berührung ihrer Wunde ließ sie vor Schmerz zurückschrecken. Ein Gefühl der Angst machte sich in ihr breit. Zitternd legte sie ihre Hand auf ihren Bauch, doch schien es dem Ungeborenen, das sie nun schon seit einigen Monden unter dem Herzen trug, gut zu gehen.

Die Gesichter von ihrem Bruder Bärfried und ihrem Gemahl Wilfred schienen vor ihr in der Dunkelheit zu schweben. Sie hätte gern geweint, doch wollten die Tränen nicht kommen.Wer war sie denn schon? Verraten von ihrem Bruder, betrogen von ihrem Gemahl –niemand würde sie vermissen, dachte sie und war sich dabei nicht sicher, ob der Schmerz in ihrem Kopf oder jener in ihrem Herzen heftiger brannte.

Stundengläser wurden zu Praiosläufen, so zumindest schien es. Inja hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Somit konnte sie auch nicht sagen, wie lange sie nun schon in diesem Loch saß, bevor sich die schwere Holztür vor ihr mit lautem Knarren öffnete. Das plötzliche Licht brannte schmerzlich in ihren Augen, doch sollte es nicht vom Praiosmal, sondern von einer Fackel kommen. Herein schlurfte ein groß gewachsener, schlanker Mann, der sein Gesicht mit einer Kapuze bedeckt hielt. Der Unbekannte stellte einen Holzkrug Wasser und einen Teller mit Wurst und einem harten Kanten Brot vor sie hin.

„Bitte", sagte Inja in flehendem Ton, „wer seid Ihr? Was wollt Ihr von mir?"

„Shhh", der Angesprochene hielt sich seinen Zeigefinger vorden Mund und bedeutete ihr zu Schweigen. Danach wandte er sich von ihr ab und verließ sie wieder. Krachend fiel die Holztür wieder in ihr Schloss und an Injas Wange ran nun erstmals eine Träne herab…